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Das Jahr 2045 ist das Stichdatum – bis dahin muss Deutschland klimaneutral sein. Das gilt auch für den Gebäudesektor. Die Wärmepumpe ist hierbei neben energetischen Sanierungen ein Schlüsselinstrument. Derzeit aber werden Wärmepumpen vor allem in Ein- und Zweifamilienhäusern verbaut, in Mehrfamilienhäusern sind weiterhin klimaschädliche fossile Heizungssysteme im Einsatz.  Hier muss ein Umdenken stattfinden. Denn mehr als die Hälfte der 42,8 Millionen Wohneinheiten in Deutschland befinden sich in Mehrfamilienhäusern.

Bislang gibt es in Deutschland leider nur wenige Praxisbeispiele, die zeigen, wie man die Wärmeversorgung von Mehrfamilienhäusern über Wärmepumpen sichert. Zudem werden die vorhandenen Beispiele kaum kommuniziert. Das wiederum verunsichert Eigentümerinnen und Eigentümer, die vor großen Investitionsentscheidungen stehen, sowie Handwerkerinnen und Handwerker und Planungsbüros, die bisher kaum Erfahrungen mit der Installation von Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern sammeln konnten.

Hier setzen wir mit unserem Projekt „Schlüsseltechnologie für Klimaschutz in Gebäuden: Die Wärmepumpe im Mehrfamilienhaus in der Praxis“ an. Ziel des Projektes ist es, Informationen zu den Hürden und Möglichkeiten der Wärmepumpe in bestehenden Mehrfamilienhäusern zu sammeln, aufzubereiten und in die politische sowie öffentliche Ebene zu tragen. Damit sollen einerseits Wohnungseigentümerinnengemeinschaften (WEG) und Wohnungsunternehmen befähigt werden, eigene Projekte umzusetzen. Andererseits soll eine Grundlage für bessere politische Rahmenbedingungen für den Hochlauf der Technologie in diesen Gebäuden geschaffen werden.

Der erste Schritt war eine Bestandsaufnahme zu den bisherigen Erfahrungen der relevanten Akteurinnen und Akteuren mit dem Einsatz der Wärmepumpe in Mehrfamilienhäusern. 

Diese zeigte unter anderem, dass Wohnungseigentümer:innen und –unternehmen, sowie auch Planer:innen und Handwerker:innen Beispiele zur Orientierung fehlen. Daher stellen wir hier drei Praxisbeispiele vor: ein Wohnungsunternehmen, dass die Gasetagenheizungen in seinen Mietswohnungen mit Luft-Luft-Wärmepumpen austauschte; ein Wohnungsunternehmen, das seine Gebäuderiegel mit je zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen ausgestattet hat und ein Vermieter, der in seinem Haus zwei Grundwasser-Wärmepumpen eingebaut hat.

Zum Abschluss des Projekts wurde von unserem Projektpartner, der HEAT GmbH, eine Roadmap zum Hochlauf der Wärmepumpe in Mehrfamilienhäusern erstellt. In der Roadmap wird erklärt, warum es für die Wärmewende unabdingbar ist, Wärmepumpen auch verstärkt zur Beheizung von Mehrfamilienhäusern einzusetzen – ob direkt am Gebäude oder über ein Wärmenetz. Auf einen Überblick zu den Herausforderungen, die in der Bestandsaufnahme erarbeitet wurden, folgen hier Strategien, um den Hochlauf der Wärmepumpe in Mehrfamilienhäusern anzukurbeln und damit die Lücke zum Erreichen der Klimaziele im Gebäudesektor zu verkleinern.

Praxisbeispiele: Mehrfamilienhäuser

Das Wohnungsunternehmen Rheinwohnungsbau aus Düsseldorf ist dabei, in Duisburg 800 Wohnungen mit einer Wärmepumpe auszustatten. Es sind bereits 72 Wohnungen mit einer Wärmepumpe ausgestattet. Die Konzepterstellung für die Einbindung der Wärmepumpe dauerte drei bis vier Monate, die anschließende ganzheitliche Sanierung nahm 12 Monate in Anspruch. Der nächste Sanierungsabschnitt mit 124 Wohnungen dürfte nur 18 Monate in Anspruch nehmen wird.

Im Rahmen des Wechsels zur Wärmepumpe begegneten dem Wohnungsunternehmen verschiedene Herausforderungen. Der Aufwand für die Prüfung des Heizkörperbestands auf seine Tauglichkeit für den Betrieb mit niedrigen Vorlauftemperaturen von 45°C wurde unterschätzt. Zudem musste das Genehmigungsverfahren der Netzgesellschaft zur Verstärkung des Stromnetzanschlusses intensiv betreut werden. Eine weitere Herausforderung war, dass sich das Unternehmen umfangreiche Kenntnisse Themenbereiche Netzwerktechnik, Zählertechnik, Messstellenbetrieb und Reststromlieferung aneignen musste. Zuletzt bedarf der Umstellungsprozess einer intensiven Mieter*innen-Betreuung. So wurden beispielsweise FAQ-Listen und Infobroschüren gedruckt und verteilt.

Baujahr der Gebäude: 1958

Endenergiebedarf vor der energetischen Sanierung: 130 kWh/m² pro Jahr

Energetische Sanierungsmaßnahmen neben der Wärmepumpeninstallation
:

  • Ergänzen der Kellerdeckendämmung um acht bis zehn Zentimeter
  • Anbringen eines Wärmedämmverbundsystems mit bis zu 20 Zentimeter Dämmschicht
  • Dämmung des Speichers mit bis zu 14 Zentimeter Dämmstärke
  • 3-Fach-Verglasung der Fenster
  • Austausch der Balkone zur thermischen Entkopplung

Endenergiebedarf nach der energetischen Sanierung: 34 kWh/m² pro Jahr

Art und Einsatz der Wärmepumpen:
Luft-Wasser-Wärmepumpen mit einer Leistung von 8 bis 13 kW. Pro Gebäuderiegel (24 Wohnungen) werden zwei Wärmepumpen eingesetzt

Art der Heizkörper: normale Heizkörper. Es wurde für jedes Gebäude raumweise kontrolliert, ob die Heizkörper unter den niedrigen Vorlauftemperaturen von 45 Grad warm genug wurden.

Warmwasseraufbereitung:
fast alle Wohnungen werden über Durchlauferhitzer mit Warmwasser versorgt. Alte Gasgeräte werden kontinuierlich im Zuge der Baumaßnahmen gegen Durchlauferhitzer ausgetauscht.

Stromnetzanschluss:
in jedem Mittelhaus wurde ein neuer Netzanschluss und eine neue Netzstation errichtet. Die Kosten hierfür wurden nicht von dem Unternehmen getragen.

Kosten für Mieter:innen:
Mietanhebung ist auf 1,25 €/m² gedeckelt. Der aktuelle Mieter:innen-Stromtarif liegt bei 30,6 Cent/kWh

Frage an Rheinwohnungsbau nach Tipps:


"Es ist zentral, ein:e gute Partner:in für Planung, Ausführung und Installation zu finden."

Kontakt bei Nachfragen: info@rheinwohnungsbau.de 

Der Eigentümer will sein Haus mit 12 Wohnungen klimafreundlich gestalten. Deshalb sollten neben der Solarthermieanlage zur Warmwasseraufbereitung zwei Grundwasser-Wärmepumpen für Heizwärme und den restlichen Warmwasser-Bedarf eingesetzt werden. Erste Überlegungen wurden fünf Jahre vor der Installation der Wärmepumpe angestellt: so wurde in zwei Wintern getestet, ob das Gebäude auch mit niedrigeren Vorlauftemperaturen warm genug wird und damit kompatibel mit der Wärmepumpe ist. Zukünftig wird die Wärme auch an zwei sehr gut gedämmte angrenzende Häuser verkauft, da die Wärmepumpen derzeit weniger als ein Drittel der erlaubten Grundwassermenge nutzen. Ab Herbst 2023 soll ein smart grid mit flexiblen Stromtarifen genutzt werden. Die Investitionskosten für die Wärmepumpen wurden komplett durch den Vermieter getragen.

Mit Blick auf einige Mieter*innen, die anfänglich Zweifel gegenüber der Wärmepumpen-Technologie hatten, wurden fünf Wohnungen erst angeschlossen, nachdem das System zwei Jahre zur höchsten Zufriedenheit gelaufen ist. 

Baujahr der Gebäude:
1908, Dachausbau mit Liftzubau; Umbau und Vergrößerung der Balkone in 8 m² ganzjährig nutzbare „Sonnenzimmer in den Garten“

Endenergiebedarf vor der energetischen Sanierung: ca. 118 kWh/m² pro Jahr laut Energieausweis

Energetische Sanierungsmaßnahmen neben der Wärmepumpe:

  • Dämmung der Straßenfassade mit 8 cm Kork
  • Dämmung der Wände: 2 cm Fichtenschalung innen, 2cm Lärche außen und dazwischen 10 cm Steinwolle
  • Wartung aller Fenster (ca. 50) aus dem Jahr 1983

Endenergiebedarf nach der energetischen Sanierung: 19 kWh/m² pro Jahr inkl. Warmwasser

Art und Einsatz der Wärmepumpen: 2 Grundwasser-Wärmepumpen mit einer Leistung von 20 kW und 40 kW. Die Wärmepumpen versorgen 12 Wohnungen auf insgesamt 1100 m².

Art der Heizkörper: normale Radiatorheizkörper mit Ventilatorleiste zur Kühlung sowie eine Wandheizung zur Kühlung im Dachgeschoss. Die durch die Kühlung entzogene Wärme wird für die Warmwasseraufbereitung mit genutzt. In drei Wohnungen werden Niedertemperaturradiatoren eingesetzt.

Warmwasseraufbereitung:
Die Wohnungen werden im Sommer fast ausschließlich über die 24 m² großen thermischen Kollektoren mit Warmwasser versorgt. Der Vorlauf beträgt zwischen 42 °C am Vormittag und 75 °C am sonnigen Nachmittag. Der restliche Bedarf wird durch die Wärmepumpen in Kombination mit einer Frischwasserstation gedeckt.

Neuer Stromnetzanschluss: wurde nicht benötigt

Preise für Mieter*innen: monatliche Kosten für Heizwärme beträgt für das gesamte Haus 50 €, Warmwasser 10€, für die Wartung fallen keine Kosten an. Die Nettomiete liegt bei 10 €/ m².

Tipps des Eigentümers:

"Kühlung sollte unbedingt bei der Konzeption direkt mit geplant werden, alte Radiatoren können auch sehr gut kühlen, wenn sich der Zulauf unten und der Rücklauf oben befindet. Zudem seien Wandheizungen anstelle von Fußbodenheizungen empfehlenswert oder Niedertemperatur-Radiatoren."

Kontakt bei Nachfragen:
Dr. Heinz Fuchsig, h.fuchsig@ikbnet.at 

Das Unternehmen LEG Immobilien hat das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden. Da sich das Wohnungsangebot der Firma hauptsächlich an Menschen mit kleineren Einkommen richtet, ist es dem Unternehmen besonders wichtig, ihren Gebäudebestand möglichst warmmietenneutral zu dekarbonisieren. Ein Pilotprojekt in der Heizperiode 2022/23 an vier Standorten zeigte, dass Luft-Luft-Wärmepumpen hierfür eine gute Brückentechnologie sind. Denn durch den geringen Installationsaufwand muss nicht lange auf Fachkräfte gewartet werden und der hohe zu erwartende Wirkungsgrad der Geräte verspricht mindestens gleichbleibende Energiekosten auch mit geringem bzw. ohne Sanierungsaufwand. Für die in den Pilotprojekten genutzten Geräte konnte keine staatliche Förderung genutzt werden und auch die Modernisierungsumlage wurde nicht in Anspruch genommen.

Zudem lernte die LEG, dass es entscheidend ist, Mieter:innen zu dem Thema zu bilden und in den Prozess mit einzubinden. Während die Ankündigung des Pilotprojekts anfangs auf gemischte Reaktionen stieß, leistete das Argument, dass die Installation in ein bis zwei Tagen durchgeführt werden kann und Mieter:innen somit in ihrer Wohnung bleiben können, entscheidende Überzeugungsarbeit. Der Betrieb der Wärmepumpen wurde durchweg positiv aufgenommen, Geräuschkulisse und Luftzirkulation wurden als nicht störend bzw. angenehm wahrgenommen.

Baujahr der Gebäude: 1960er und 1970er Jahre

Endenergiebedarf:
Im Rahmen des Pilotprojekts wurden die Luft-Luft-Wärmepumpen sowohl in sanierten als auch unsanierten Gebäuden mit Energieeffizienzklassen von B-F getestet. 

Art und Einsatz der Wärmepumpen:
  In den Standardwohnungen mit 65 m2 werden Luft-Luft-Wärmepumpen als Multi-Split-Anlage mit einem Außengerät je Wohnung und in der Regel einem Innengerät je Zimmer genutzt. Die Wärmepumpen haben eine elektrische Leistungsaufnahme von 2kW mit einer Heizleistung von 8,6 kW und eine elektrischen Leistungsaufnahme von 2 kW pro Wohnung.

Art der Heizkörper: keine, da die Innengeräte der Luft-Luft-Wärmepumpen die Heizkörper in den Wohnungen ersetzen

Warmwasseraufbereitung:
Bevorzugt Durchlauferhitzer (alternativ Warmwasserspeicher), weil diese mit künftig komplett erneuerbarem Strom eine vollständige Dekarbonisierung ermöglichen. Die vergleichsweise niedrigere Effizienz dieser Form der Warmwasserbereitung wird kostentechnisch durch die hohe Effizienz der Luft-Luft-Wärmepumpen kompensiert. Falls der Hausanschluss allerdings nicht auf eine derart hohe elektrische Leistung ausgelegt ist, wird auf alternative Lösungen für die Warmwasserbereitung gesetzt. 

Stromnetzanschluss:
bisher war keine Netzanschlussverstärkung erforderlich, kann aber in Zukunft notwendig sein

Preise für Mieter:innen:
Bei sachgerechtem Heizbetrieb wird mindestens Warmmietenneutralität gewährleistet; in den meisten Fällen konnte eine Energiekostenreduktion für die Mieter:innen erreicht werden.

Tipps der LEG
:

Jede Region ist anders, und jedes Gebäude auch. Es gibt nicht die one-fits-all-Lösung für jeden Bestandsbau. Man kann sich nur möglichst viele Optionen vorurteilsfrei anschauen und ausprobieren. So ist uns aufgefallen, dass die Luft-Luft-Wärmepumpe, die uns vorwiegend aus wärmeren Ländern bekannt vorkamen, auch im kalten Skandinavien als Heizung weit verbreitet sind. 

Da wir eine große Zahl an Mehrfamilienhäusern bewirtschaften, die schon bisher dezentral beheizt werden, war das für uns sehr interessant. Denn: Beim Einsatz von Luft-Luft-Wärmepumpen muss, wenn eine von mehreren dezentralen Anlagen havariert, zunächst auch nur diese eine ersetzt werden (ressourcenschonend). Bei einer Umstellung auf eine zentrale Heizanlage müsste zudem die komplette Haustechnik erneuert werden mit hohen Kosten für Vermieter:innen und Mieter:innen.


Kontakt bei Nachfragen: sabine.jeschke@leg-wohnen.de 

Das Projekt wird gefördert von der Allianz Foundation.

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