»Wir kämpfen für eine funktionierende Demokratie«
Die DUH klagt für das Recht auf ‚Saubere Luft‘ in den Städten und die Gerichte bestätigen quer durch die Republik, dass die beklagten Städte die Grenzwerte für Stickstoffdioxid nicht einhalten und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge erlassen müssen. Wird die Luft damit sauberer?
Ja, im Jahr 2019 werden wir erleben, wie in den ersten Städten mit schlechter Luft die Atemluft durch Dieselfahrverbote spürbar besser wird. Unser Ziel ist, bis Ende des Jahres 2019 überall in Deutschland das Recht auf saubere Luft durchzusetzen.
Die Dieselfahrzeuge fahren dann woanders. Verlagert sich das Problem nicht nur?
In allen Gebieten einer Stadt muss die Luft sauber sein. Wir wollen auf keinen Fall, dass schmutzige Fahrzeuge sich längere Wege suchen. Es geht darum, die Betrugsdiesel so technisch nachzurüsten, dass sie auf der Straße und nicht nur im Prüflabor die Grenzwerte einhalten. Wir müssen aber vor allem erreichen, dass weniger Autos in den Städten fahren und Bahn, Tram und Bus ausgebaut werden. Wir brauchen schließlich nach holländischem Vorbild einen massiven Ausbau des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs.
Die Geschädigten von Dieselskandal und schmutziger Luft sind die Umwelt, die Autohalter und alle, die den Dreck einatmen.
Geschädigte sind nicht in erster Linie die Autofahrer und das sagen alle Gerichte. Die Geschädigten sind die 800.000 Menschen, die jährlich durch das Dieselabgasgift NO2 erkranken. Die DUH kämpft seit 30 Jahren für die ‚Saubere Luft’. In den 1980er Jahren sind wir gegen das Waldsterben vorgegangen und haben für das Herausfiltern von Schwefeldioxid aus Großfeuerungsanlagen gekämpft, in den 1990igern haben wir uns für den Dreiwege-Katalysator bei Benzinfahrzeugen und für schwefelfreie Kraftstoffe eingesetzt. Wir haben für Dieselrußfilter gekämpft und setzen uns seit zehn Jahren für die Minderung von Stickoxiden nach dem Stand der Technik ein.
Die DUH klagt seit Jahren für die ‚Saubere Luft’ und hat einen Erfolg nach dem anderen, dennoch hat sich kaum etwas verändert.
Seitdem wir am 27. Februar 2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht gewonnen haben, werden die einzelnen Gerichte sehr aktiv! Leipzig hat verkündet, dass 2019 der letztmögliche Zeitpunkt ist, um den EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid einzuhalten. So haben wir durch ein Zwangsvollstreckungsverfahren die Landesregierung von Baden-Württemberg dazu gezwungen, in der gesamten Stadt Stuttgart ein Dieselfahrverbot ab dem 1. Januar 2019 einzuführen. Mit einer weiteren Klage haben wir es geschafft, dass es 2019 auf Euro 5 Diesel ausgedehnt wird. In zwölf Städten haben wir ein Dieselfahrverbot bis November 2018 durchgesetzt – ich rechne damit, dass wir 2019 in den meisten hochbelasteten Städten Deutschlands großflächige Dieselfahrverbote durchsetzen. Das wird dazu führen, dass die schmutzigen Diesel-Pkw im großen Stil auf Kosten der Industrie nachgerüstet werden. Und wenn nicht, müssen sie draußen bleiben aus den Städten.
Wird es eine Verpflichtung der Dieselkonzerne zur Nachrüstung geben?
Wir haben es geschafft, dass die Bundeskanzlerin und die meisten Ministerpräsidenten unsere Forderung übernommen haben, dass die Autohersteller die Hardwarenachrüstungen finanzieren sollen.
Allerdings hat die Bundesregierung nicht den Mut, die Hersteller zu verpflichten. Wir haben mit einem Rechtsgutachten gezeigt, dass es möglich ist, die Hersteller und die Importeure zur Zahlung von 5.000 Euro Geldbuße pro Fahrzeug mit Betrugsdiesel zu verpflichten. Hieraus lässt sich die Nachrüstung mehrmals finanzieren. Aber die Regierung hat nicht die Kraft und den Willen dazu.
Was muss passieren, damit die Bundesregierung sich bewegt?
Die Bunderegierung wird sich dann bewegen, wenn die Automobilindustrie es ihr erlaubt. Die Regierung ist in diesem Punkt nicht mehr souverän, die Automobilindustrie bestimmt die Politik in diesem Bereich. Die Regierungspolitiker werden sich erst dann bewegen, wenn sie wegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Zulässigkeit von Erzwingungshaft für Politiker und Behördenleiter das Recht beachten und Gerichtsurteile umsetzen.
Was bedeutet das?
Wir haben seit vier Jahren in München ein rechtskräftiges Urteil zur Durchsetzung der ‚Sauberen Luft’. Vier von der DUH initiierte Zwangsvollstreckungen gegenüber der bayerischen Staatsregierung sind ins Leere gelaufen. Als Ultima Ratio verbleibt uns nur, erneut rechtliches Neuland zu beschreiten und die Zwangshaft für Ministerpräsident Söder und seinen Umweltminister zu fordern. Genau dies wird aufgrund eines Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nun vom Europäischen Gerichtshof geprüft. Allein dies ist ein Erfolg für den Erhalt einer derzeit beschädigten Demokratie in unserem Land, den wir gar nicht hoch genug bewerten können.
Das sind große Worte.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem 41-seitigen Beschluss dargestellt, wie weit sich Deutschland von einer funktionierenden Demokratie entfernt hat. Einer der Kernsätze lautet, dass Deutschland nicht mehr über die Eingangsvoraussetzung für die Aufnahme als EU-Staat verfügt. Wir werden an der Frage der Luftreinhaltung in München und dem Widerstand der bayerischen Staatsregierung gegen ein rechtskräftiges Urteil eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs herbeiführen, die alle staatlichen Ebenen dazu bewegen wird, rechtskräftige Urteile ernst zunehmen und umzusetzen.
Welche Auswirkungen hat das Urteil?
Jeder Bürger, jeder Verband wird dann die Möglichkeit haben, Bürgermeister, Behördenleiter oder auch Ministerpräsidenten mit Zwangshaft zu belegen, wenn sie sich rechtswidrig verhalten. Bisher ist dies nicht möglich. Die maximale Strafandrohung bisher sind 10.000 Euro Zwangsgeld, die der Staat an sich selbst zahlen muss. Darüber machen sich betroffene Politiker lustig, ich meine zu Recht. Durch unseren Kampf für die ‚Saubere Luft‘ findet über die europäischen Instanzen eine Reparatur unserer Rechtsordnung statt, die wesentlich für die Fernsteuerung der Regierungspolitiker durch Industriekonzerne verantwortlich ist.
Ein vermintes Gelände, auf dem sich die DUH bewegt.
Wir kämpfen zunehmend nicht nur für den Fischotter, Abfallvermeidung oder saubere Luft, sondern für den Erhalt einer funktionierenden Demokratie. Es muss aufhören, dass in Deutschland wichtige Entscheidungen, Gesetze oder Absprachen zu deren Nichtanwendung in Hinterzimmern getroffen werden.
Hat die DUH Nachteile, seitdem sie klagt?
Die Automobilindustrie versucht, die DUH zu diskreditieren und so von der inhaltlichen Diskussion abzulenken. Gleichzeitig fordern die Konzerne, weder von den Behörden noch von Verbraucherverbänden geprüft zu werden. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet die eng mit den Autokonzernen verbundene CDU Nordwürttemberg gegen einen funktionierenden Rechtsstaat ankämpft und Verbänden wie der DUH den Zugang zu Gerichten erschweren möchte. Der Versuch, auf dem Bundesparteitag der CDU im Dezember 2018 den Entzug der Gemeinnützigkeit und Beschränkung des Zugangs der DUH zu Gerichten beschließen zu lassen, ist absurd.
Warum?
Ob Verbände wie die DUH gemeinnützig sind, wird regelmäßig von den Behörden überprüft. Das gleiche gilt für unseren Status als klageberechtigter Verband. Diese Prüfungen sind aus gutem Grund sehr gründlich und wir haben sie immer ohne Beanstandung durchlaufen. Aber es ist nicht die Aufgabe einer politischen Partei, über diese Fragen zu entscheiden. Die Beweggründe der Initiatoren sind dabei mehr als offenkundig: Wir kämpfen dafür, dass Rechtsfragen nicht länger in Hinterzimmern zwischen Autoindustrie und Spitzenpolitikern behandelt werden. Wir bringen sie mit unseren Klagen dorthin, wo eine Demokratie die Klärung von Rechtsfragen vorgesehen hat: Vor die Gerichte. Das scheint einigen Akteuren nicht zu passen.
Wie finanziert die DUH die Messungen und Klagen?
Durch Zuschüsse von Umweltstiftungen wie der Climate Works Foundation und Client Earth, unsere begleitende Kampagnenarbeit zu den Luftreinhalteklagen unterstützt außerdem die EU-Kommission über das LIFE Programm. Wir freuen uns ganz besonders, dass uns seit Beginn der Kampagne für saubere Luft immer mehr Menschen unterstützen. Darunter sind auch etliche Ärzte, die aus ihrer Praxis wissen, welche Auswirkungen Abgase auf Asthmakranke oder Kinder haben.
Und wie finanziert sich die DUH insgesamt?
Immer weniger durch Unterstützung aus der Industrie und immer stärker durch Spenden und Mitgliedschaften. Die Autoindustrie hat es mit Druck auf unsere Kooperationspartner geschafft, dass wir langjährige Kooperationspartner wie die Telekom verloren haben. Die wurden direkt aus der Autoindustrie angesprochen und gebeten, uns nicht weiter zu unterstützen. Deswegen ist der Anteil der Unterstützung aus der Wirtschaft auf zehn Prozent der Einnahmen zurückgegangen. Glücklicherweise können wir das kompensieren mit den Spenden von Menschen, die der Auffassung sind, dass wir eine wichtige Arbeit für die Umwelt und auch für die Erhaltung einer demokratischen Gesellschaft machen.
Bekommt die DUH Geld von der Autoindustrie?
Bis Ende 2018 erhielt die DUH über 20 Jahre hinweg kleinere Spenden von Toyota, dieses Jahr waren es 30.000 Euro, das sind 0,3 Prozent unseres Budgets. Unsere Unabhängigkeit zeigt sich daran, dass wir beispielsweise bei einem Toyota Auris Diesel 1,4 Liter eine 5,1-fache Überschreitung des Stickoxid-Grenzwertes entdeckt und das auch veröffentlicht haben. In den letzten zehn Jahren sind wir zudem 47 Mal gegen Toyota vor Gericht gezogen. Wir behandeln Toyota also genauso wie andere Unternehmen.
Das politische Klima ist rauer geworden, wie sehen Sie die Arbeit der DUH als Umwelt- und Verbraucherverband in diesen Zeiten?
Ich glaube, dass die DUH gestärkt aus ihrem Einsatz für die saubere Luft hervorgeht und wir uns hoffentlich bald um weitere Luftschadstoffe und Quellen sowie eine Verschärfung der Grenzwerte kümmern können. Es ist doch absurd, dass wir seit Jahren keine Zeit haben, um für die dringend notwendige Verschärfung der Feinstaubwerte oder eben auch der Stickstoffdioxidwerte zu kämpfen und wir unsere Arbeitszeit darauf verwenden müssen, den Staat zu zwingen, seine Gesetze einzuhalten.