Pressemitteilung
Weiterhin zu hohe NO2-Belastung in Stuttgart – Deutsche Umwelthilfe stellt erneut Zwangsvollstreckungsantrag für die Saubere Luft
Stuttgart/Berlin, 26.2.2021: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat erneut einen Antrag auf Vollstreckung aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018 wegen Überschreitung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht. Obwohl offizielle Messstationen des Landesamts für Umwelt nach wie vor NO2-Belastungen in der Höhe von bis zu 49 µg/m³ im Jahr 2020 messen, kommuniziert das Land Baden-Württemberg nur die Ergebnisse, die deutlich niedriger liegen.
Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Die grün-schwarze Landesregierung trickst und täuscht, wenn es um die Interessen von Daimler, Bosch und Porsche geht. Die katastrophal hohe Belastung der Atemluft in der Stuttgarter Talstraße mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid wird zwar vom Landesamt für Umwelt gemessen, die dort selbst im Corona-Jahr 2020 festgestellte hohe Grenzwertüberschreitung aber verschwiegen. Wir fordern die zur Wahl antretenden Parteien auf, sich zu erklären, ob sie wie die bisherigen Regierungen nur die Anweisungen aus den Konzernzentralen der Dieselhersteller exekutieren oder erstmals der Sauberen Luft und dem Klimaschutz und damit den Baden-Württembergischen Bürgern Priorität einräumen. Solange die Regierung nicht handelt, werden wir auf dem Rechtsweg für alle Menschen in Stuttgart kämpfen, dass sie Saubere Luft atmen können.“
Während das Land Baden-Württemberg für die Pragstraße eine NO2-Belastung in Höhe von 43 µg/m³ und für die Talstraße in Höhe von 41 µg/m³ kommuniziert, zeigen die offiziellen NO2-Messungen an der Talstraße 43 noch 49 µg/m³, an der Talstraße 47 noch 47 µg/m³ und an der Pragstraße 100 noch 44 µg/m³. Obwohl die gleiche Technik zum Einsatz kommt wie an den offiziell kommunizierten Messstationen, werden die hohen Messwerte als nicht zu verwertende, sogenannte Profilmesspunkte, klassifiziert.
Um die NO2-Belastung weiter zu senken, müssen die umfangreichen Ausnahmen vom Dieselfahrverbot, welche insbesondere den Lieferverkehr betreffen, deutlich reduziert werden. Aber auch die zahlreichen Möglichkeiten zur Förderung von Bus und Bahn sowie Rad- und Fußverkehr, die die Landeshauptstadt Stuttgart nutzen kann, kommentiert Jürgen Resch: „Wir fordern für die Talstraße eine durchgängige, attraktive und sichere Bus- und Radverkehrsinfrastruktur durch eine beidseitige kombinierte Bus- und Radverkehrsspur als Umweltspur. Dass dies ganz schnell über die Einrichtung eines Pop-up Radweges gelingen kann, haben im vergangenen Jahr zahlreiche deutsche Städte bewiesen. Dabei müssen mindestens abschnittweise Parkplätze, Kfz-Spuren oder Abbiegespuren entfallen. Um die Kraftfahrzeugbelastung der Talstraße zu reduzieren, können Pförtnerampeln, beispielsweise an der Auffahrt von der B10, den Verkehr steuern. Alternativ kann die Einfahrt auf die Talstraße in Richtung Innenstadt von der B10 komplett untersagt werden. Der Kreativität der Behörden sind hier keine Grenzen gesetzt.“
Hintergrund:
Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart hat am 26. April 2019 entschieden, dass die aktuelle Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Stuttgart gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von Februar 2018 verstößt. Eine Beschwerde des Landes Baden-Württemberg gegen den entsprechenden Zwangsvollstreckungsbeschluss hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim am 28. Juni 2019 vollumfänglich zurückgewiesen. Der Beschluss des VG Stuttgart ist damit rechtskräftig und muss umgesetzt werden. Dazu gehört auch die Aufnahme von Fahrverboten für Euro 5 Diesel-Pkw in den Luftreinhalteplan ab dem 1. Juli 2019.
Die DUH hat daraufhin das Land Baden-Württemberg aufgefordert, zonale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5/V in einen neunen Luftreinhalteplan aufzunehmen. Dieser Aufforderung kam das Land nicht nach, weshalb die DUH Anfang August 2019 beim VG Stuttgart einen Antrag auf ein höheres Zwangsgeld oder Beugehaft zur Vollstreckung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts eingereicht hat.
Das VG Stuttgart hat im Januar 2020 dem Antrag der DUH auf Zwangsvollstreckung stattgegeben. Mit dem Beschluss wurde erstmals in Deutschland ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro verhängt, das zudem an einen dritten Begünstigten, in diesem Fall an die Deutsche Kinderkrebsstiftung, zu zahlen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Beschluss bestätigt. Das Land Baden-Württemberg versuchte nun mit einer sogenannten Vollstreckungsabwehrklage und einem Antrag auf einstweilige Anordnung, der DUH die rechtliche Möglichkeit der Vollstreckung zu nehmen. Der Antrag auf einstweilige Anordnung wurde bereits am 3. Juli 2020 durch das Verwaltungsgericht Stuttgart zurückgewiesen.
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Professor Dr. Remo Klinger, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
0171 2435458, klinger@geulen.com
DUH-Pressestelle:
Matthias Walter, Marlen Bachmann, Thomas Grafe
030 2400867-20, presse@duh.de