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Pressemitteilung

Grundsatzurteil für die Saubere Luft: Deutsche Umwelthilfe begrüßt Klarstellung des Bundesverwaltungsgerichts zu Reutlingen

Donnerstag, 27.02.2020

Oberstes Bundesgericht weist Revisionen von Land und Stadt teilweise zurück – Diesel-Fahrverbote sind grundsätzlich unvermeidbar, wenn der Grenzwert mit sonstigen Maßnahmen nicht schnellstmöglich eingehalten wird – Gericht erlaubt Absehen von Fahrverboten nur, wenn Grenzwerteinhaltung in kurzer Zeit sicher zu erwarten ist

© sebra/Fotolia

Leipzig/Berlin, 27.2.2020: Im Klageverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land Baden-Württemberg für die Saubere Luft in Reutlingen hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig heute die Revisionen des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Reutlingen teilweise zurückgewiesen. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg vom 18. März 2019, welches das Land zu einer unverzüglichen Fortschreibung des Luftreinhalteplans verpflichtete, wurde zwar in der Begründung abgeändert. Die Landesregierung muss gleichwohl nach Maßgabe des Gerichts einen neuen Luftreinhalteplan aufstellen und darin weitere konkrete Maßnahmen aufnehmen. Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt die Klage für Saubere Luft der DUH.

Das ist ein guter Tag für die Saubere Luft und die Menschen in Reutlingen. Und ist es ein Weckruf für die grün-schwarze Landesregierung, sich endlich aus dem Würgegriff der Dieselkonzerne zu befreien und die Einhaltung des Grenzwerts für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid auch in Stuttgart, Ludwigsburg, Heilbronn und weiteren Problemstädten noch in diesem Jahr sicherzustellen“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Remo Klinger
, der die DUH in dem Verfahren vertritt, ergänzt: „Das Urteil ist eine Präzedenz für alle deutschen Großstädte. Das Gericht hat seine klare Aussage in seinem Grundsatzurteil zur sauberen Luft aus 2018 zur Einhaltung des Grenzwerts bestätigt und in Konturen präzisiert. Diese Entscheidung wird die Grundlage für alle noch offenen deutschen Verfahren sein.

Das BVerwG hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass die Bewertung des VGH Baden-Württemberg korrekt ist, nach der die bisherigen Prognosen des Landes zur Entwicklung der Luftbelastung fehlerhaft sind. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen tatsächlich so wirkungsvoll sind, wie angenommen. Es bedarf daher weiterer Maßnahmen auf der Lederstraße, um den Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 μg NO2/m³ im Jahr 2020 sicher einzuhalten.

Das BVerwG hat klargestellt, dass das 2019 auf Druck der Automobilindustrie verabschiedete „Fahrverbots-Verhinderungsgesetz“ des Bundes, mit dem ein Wert von 50 μg Stickstoffdioxid (NO2)/m³ in das Bundes-Immissionsschutzgesetz eingeführt wurde, nicht 1:1 anwendbar ist: Relevant für die Verhängung von Diesel-Fahrverboten ist und bleibt nach diesem Grundsatzurteil der EU-weit geltende Grenzwert von 40 µg NO2/m³.

Allenfalls dann, wenn nach Ergreifung aller anderen in Betracht kommenden Maßnahmen nur noch minimale Überschreitungen des Grenzwertes vorliegen, kann auf ein Fahrverbot verzichtet werden. Die dafür anzustellenden Prognosen zur Entwicklung des NO2-Wertes müssen jedoch verlässlich sein. Nach Auffassung der DUH ist dies in Reutlingen immer noch nicht der Fall. Auch die zuletzt vorgelegten Prognosen, die die Luftqualität 2020 in Reutlingen bewerten, arbeiten auf der Grundlage einer veralteten Fassung der zugrunde gelegten Emissionsfaktoren und nehmen Minderungswirkungen für die bisher ergriffenen Maßnahmen an, die nicht nachvollziehbar sind.

Die Notwendigkeit zu weitergehenden Maßnahmen wird durch die Luftsituation in der Lederstraße in den Monaten Januar und Februar 2020 bestätigt, bei der der Wert bei im Durchschnitt 47 μg NO2/m³ und damit noch höher als im Jahresdurchschnitt 2019 (46 μg NO2/m³) lag. Passivsammlermessungen in der Lederstraße, die an anderen Stellen als der stationären Messstelle stattfanden, haben im ersten Halbjahr 2019 sogar noch deutlich höhere Werte ergeben.

ClientEarth Anwalt Ugo Taddei sagt: „Die Luftverschmutzung mit giftigen Abgasen ist ein Gesundheitsskandal. Das Urteil ist die zweite eindeutige Rüge vom höchsten deutschen Verwaltungsgericht innerhalb von zwei Jahren. Im Dezember musste sich der EuGH ebenfalls mit wirksamen Sanktionen gegen widerspenstige deutsche Behörden einschalten. Es ist erstaunlich, dass die Behörden noch immer versuchen, Ausreden zu finden, um die Menschen nicht schützen zu müssen. Selbst die Autohersteller wachen langsam auf – die Behörden müssen jetzt ihre Prioritäten klarstellen.“

Die Urteilsbegründung des Gerichts liegt noch nicht vor.

Hintergrund:    

Bereits 2014 entschied das Verwaltungsgericht Sigmaringen, dass der Luftreinhalteplan der Stadt Reutlingen zur Verbesserung der Luftqualität fortgeschrieben werden muss. Die Änderungen des Luftreinhalteplans brachte bisher jedoch keine Einhaltung des NO2-Grenzwerts. Deshalb reichte die DUH im März 2018 erneut Klage gegen das Land Baden-Württemberg ein. An der Messstation Lederstraße-Ost wurden für das Jahr 2019 noch 46 μg NO2/m³ gemessen. Der NO2-Wert ist im Vergleich zu den Vorjahren zwar gesunken, dennoch liegt er auch im elften Jahr seit der Grenzwerteinführung noch deutlich oberhalb der erlaubten 40 μg/m³. Ohne Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge wird aus Sicht der DUH der Jahresmittelwert im Jahr 2020 nicht überall im Stadtgebiet eingehalten werden.

Links:

Übersicht über alle laufenden Klageverfahren der DUH: https://www.duh.de/themen/luftqualitaet/recht-auf-saubere-luft/uebersicht-klagen/ 

Kontakt:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch@duh.de  

Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt Kanzlei Geulen & Klinger, Berlin
0171 2435458, klinger@geulen.com

DUH-Pressestelle:

Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann
030 2400867-20, presse@duh.de

www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe, www.instagram.com/umwelthilfe

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