Pressemitteilung
Expertenrat bestätigt Rechtsbruch der Bundesregierung beim Klimaschutz: Deutsche Umwelthilfe klagt auf Aufstellung eines gesetzeskonformen Sofortprogramms
Berlin, 4.11.2022: Angesichts des heute vorgestellten Gutachtens des Expertenrates für Klimaschutz der Bundesregierung fordert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die Umsetzung sofort wirksamer Klimaschutzmaßnahmen noch vor Jahresende. Diese müssten sich auf die Sektoren Gebäude und Verkehr konzentrieren und dafür sorgen, dass die rechtsverbindlichen Klimaschutzvorgaben aus dem Klimaschutzgesetz und dem Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten werden, so der Umwelt- und Verbraucherschutzverband. Sollte die Regierung das nicht sicherstellen, so werde man es durch bereits anhängige Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg juristisch durchsetzen, so die DUH.
Der Expertenrat hatte zuvor in seinem ersten sogenannten Zweijahresgutachten das klimapolitische Scheitern der Bundesregierung festgestellt: mit den derzeitigen Einsparungen und auch geplanten Maßnahmen werden die Klimaziele bis 2030 erheblich verfehlt. Damit verstößt die Ampel gegen das Bundesklimaschutzgesetz. Sie werde auch nicht ausreichend tätig, um die Einhaltung künftig sicherzustellen. Das gelte insbesondere für den Sektor Verkehr, in dem eine 14 Mal so hohe Einsparung pro Jahr benötigt werde, so die von der Regierung selbst berufenen Expertinnen und Experten.
Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Dieses Gutachten belegt eindrucksvoll das Komplettversagen der Ampel-Regierung im Klimaschutz. Dabei untersucht der Expertenrat nicht einmal, ob die Maßnahmen ausreichen, die Erderwärmung tatsächlich auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Es bewertet den absoluten Minimalanspruch: Ob die Regierung bestehende Gesetze einhält. Und hier ist die Aussage eindeutig: Diese rot-grün-gelbe Bundesregierung versagt im Klimaschutz und hält nicht einmal das Gesetz der Vorgängerregierung Merkel ein. Und den Mut das auszusprechen, haben die Expertinnen und Experten, die die Regierung selbst berufen hat. Das ist ein Donnerschlag. Auch, weil es einfach umsetzbare Maßnahmen gibt, gerade im besonders desaströsen Verkehrssektor. Mit einem Tempolimit 100/80/30, lassen sich sofort mehr als 9 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Und die aktuell mindestens vier Milliarden Euro jährlich für eine Ertüchtigung des jahrzehntelang kaputtgesparten ÖPNV lassen sich durch ein Ende der Absetzbarkeit und Subventionen von klimaschädlichen Dienstwagen mehr als finanzieren.“
Barbara Metz, DUH-Bundesgeschäftsführerin: „Sollte die Bundesregierung auch nach dieser Ohrfeige nicht endlich einlenken, so werden wir diese Maßnahmen trotzdem durchsetzen: auf dem Rechtsweg. Wie eindeutig die Rechtslage ist, zeigt dieses Gutachten einmal mehr. So werden wir auch im Gebäudesektor Maßnahmen wie das schnellstmögliche Verbot von Gasheizungen im Neubau oder die Pflicht zur Sanierung energetisch besonders schlechter Altbauten endlich Realität werden lassen. Denn es geht hier nicht um eine politische Meinung oder einen Wunsch. Es geht um bestehendes Recht, um internationale verbindliche Abkommen und um das Recht unserer Kinder und Kindeskinder auf eine Zukunft.“
Um die Einhaltung der Klimaschutzverpflichtungen Deutschlands sicherzustellen, hat die DUH Klimaklagen auf drei Ebenen gestartet.
- Grundrechtsverfahren sorgen dafür, die sogenannte Ambitionslücke zu schließen. Sie zielen darauf, dass bestehende schwache Klimaschutzgesetze nachgeschärft werden müssen, um die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen und die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dazu zählen die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, die zum historischen Klima-Beschluss geführt haben, ebenso die kürzlich eingereichte Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
- Klimaklagen vor den Verwaltungsgerichten sorgen dafür, die sogenannte Maßnahmenlücke zu schließen. Sie zielen darauf, die Regierungen dazu zu zwingen, sich an die Klimaschutzgesetze zu halten und genügend wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Derzeit sind unter anderem Verfahren der DUH gegen die Bundesregierung in den Sektoren Verkehr, Gebäude, Energiewirtschaft und Landwirtschaft vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängig.
- Klimaklagen vor Zivilgerichten gegen große Konzerne, die für mehr Klimagasausstoß verantwortlich sind als viele Staaten der Erde, sorgen dafür, dass auch diese ihren ausreichenden Beitrag leisten müssen. Hier klagen die Bundesgeschäftsführenden der DUH aktuell gegen die Unternehmen Mercedes, BMW und Wintershall Dea.
Hintergrund:
Der unabhängige Expertenrat untersucht entsprechend der Vorgaben des Bundes-Klimaschutzgesetzes (§12 Abs. 4 KSG) alle zwei Jahre in einem Gutachten die bisherigen Entwicklungen der Treibhausgasemissionen, Trends bezüglich der Jahresemissionsmengen und die Wirksamkeit von Maßnahmen mit Blick auf die Zielerreichung nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz.
Das Bundes-Klimaschutzgesetz schreibt maximale Treibhausgas-Emissionsmengen für die relevanten Sektoren, darunter Verkehr und Gebäude, jahresscharf bis 2030 vor. Nachdem diese Vorgaben in den genannten Sektoren überschritten wurden, verlangt das Gesetz ein Sofortprogramm, mit dem sichergestellt werden kann, dass die Überschreitungen ausgeglichen und die Minderungsvorgaben in den kommenden Jahren eingehalten werden.
Laut Berechnungen der Bundesregierung müssen im Verkehrssektor zwischen 2022 und 2030 insgesamt 271,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, das zweiseitige Pseudo-Sofortprogramm des Verkehrsministers erreicht bis 2030 bestenfalls rund 13 Millionen Tonnen CO2. Das im Sommer von Verkehrsminister Wissing vorgelegte Sofortprogramm Verkehr erreicht jedoch nur ein Zwanzigstel der gesetzlich nötigen CO2-Einsparung bis 2030. Auch das unlängst bekannt gewordene Eckpunktepapier der Bundesregierung reicht eindeutig nicht aus, um diese Lücke zu schließen, dies gesteht sogar die Bundesregierung ein.
Bereits im August hatten die Experten dem von Bundesverkehrsminister Wissing vorgelegte Sofortprogramm Verkehr ein vernichtendes Urteil ausgestellt: Das Programm entspreche nicht den rechtlichen Vorgaben des Klimaschutzgesetzes und hätte eine deutliche Überschreitung der erlaubten Jahresemissionsmengen im Verkehr zur Folge.
Die DUH hat mit Blick auf das ihrer Ansicht nach rechtswidrige Sofortprogramm Verkehr im September eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht und damit ihre bereits seit September 2020 anhängige Klage ergänzt, die die Aufstellung eines Programms zur Einhaltung der Vorgaben des Klimaschutzgesetzes einfordert. Neben weiteren Verwaltungsklagen auf Bundes- und Landesebene hatte die DUH zuletzt eine Beschwerde von Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unterstützt. Hierin fordern die Beschwerdeführer eine wirksame Klimaschutzpolitik, die ihre Grund- und Freiheitsrechte wahrt.
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin
0170 7686923, metz@duh.de
DUH Newsroom:
030 2400867-20, presse@duh.de