Pressemitteilung
EU-Kommission stützt Rechtsposition der Deutschen Umwelthilfe im Kampf für die „Saubere Luft“ – Klage vor dem EuGH ist schallende Ohrfeige für Diesel-Kanzlerin Angela Merkel
Brüssel/Berlin, 17.5.2018: Die EU-Kommission hat heute Klage gegen Deutschland und fünf weitere EU-Mitgliedsstaaten wegen anhaltender Verstöße gegen das EU-Luftreinhalterecht vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erhoben. Obwohl der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) seit 2010 gilt, wird dieser in Deutschland an vielen Orten nicht eingehalten. Die Entscheidung kommentiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH:
„Mit der heute bekannt gewordenen Entscheidung erhält Autokanzlerin Angela Merkel von der EU-Kommission eine schallende Ohrfeige. Erst gestern hatte sie im Deutschen Bundestag den Bruch des Koalitionsvertrags zur Schonung und Profitsteigerung der betrügerischen Diesel-Konzerne erklärt.
Die EU stützt mit ihrer heutigen Entscheidung ausdrücklich die Rechtsposition der Deutschen Umwelthilfe und wirft nach dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig der deutschen Bundesregierung vor, den Gesundheitsschutz ihrer Bevölkerung mit Füßen zu treten. Den Vorwurf der DUH, die ehemals stolze Bundesbehörde Kraftfahrt-Bundesamt sei in der Regentschaft von Merkel zum Bettvorleger der Autokonzerne verkommen, bestätigt die EU-Kommission mit einem Aufforderungsschreiben, dass gegen die EU-Typzulassungsvorschriften verstoßen wurde.
Während die US-Regierung Verstöße gegen die Luftreinhaltegesetze mit sieben Jahren Haft ahndet, kündigt diese Bundesregierung an, die deutschen Autobauer vor Strafen und technischen Nachrüstungen zu schützen. Die SPD muss nach dem gestrigen Kniefall von Merkel vor der Autoindustrie und der heutigen Antwort aus Brüssel darauf bestehen, dass alle Diesel-Pkw mit betrügerischen Abschalteinrichtungen auf Kosten der Hersteller eine technische Nachrüstung erhalten.“
Die DUH rechnet damit, dass die heutige Entscheidung die Durchsetzung von Diesel-Fahrverboten in deutschen Städten deutlich beschleunigen wird. Noch im Mai werden erste Straßen in Hamburg für Diesel bis einschließlich Euro 5 gesperrt. Angesichts immer neuer Nachweise rechtswidriger Abschalteinrichtungen bei selbst in diesem Jahr noch produzierten und mit ‚Umweltprämien‘ dem Verbraucher angedrehten Diesel-Pkw wie dem Audi A6, rechnet die DUH mit einer schnellen Ausdehnung der Diesel-Fahrverbote auch auf viele Euro 6 Diesel.
Erfolgreich verhindert die Autoindustrie in Deutschland auch die nach EU-Recht vorgeschriebene „abschreckende und angemessene“ Strafzahlung für den Abgasbetrug. „Während einer Privatperson beim dreimaligen Busfahren ohne Fahrschein binnen zwei Jahren eine Gefängnisstrafe droht, sollen die Autokonzerne weder eine Strafe zahlen noch den Schaden durch eine behördlich angeordnete technische Nachrüstung wieder gut machen“, so Resch weiter. In Frankreich fordert die Antibetrugsbehörde über 18 Milliarden Euro Strafe von Renault, PSA (Citroen/Peugeot) und FCA (Fiat Chrysler) wegen Abgasbetrugs. In Deutschland wurde noch kein Euro Strafe gefordert. Im Dezember 2016 hat die EU-Kommission daher ein weiteres, eigenständiges Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.
In dieser Woche erhielten zwei weitere Hersteller Rückrufbescheide wegen neu entdeckter Betrügereien. Bekannt sind diverse nun auch vom Kraftfahrt-Bundesamt bestätigte illegale Abgas-Manipulationen an Euro 6 Diesel-Pkw, zuletzt bei den Politikerdienstwagen Audi A6/A7 und A8 sowie dem BMW 750d.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, die Hersteller zur technischen Hardware-Nachrüstung der Betrugs-Diesel auf deren Kosten zu verpflichten. Nur technisch ertüchtigte Diesel-Pkw, die den Euro 6 NOx-Grenzwert auf der Straße auch im Winter einhalten, sind sicher von Diesel- Fahrverboten ausgenommen. Derzeit führt die DUH in 28 Städten, in denen der Jahresmittelgrenzwert für NO2 überschritten wird, Klageverfahren für „Saubere Luft“. „Wir werden Fahrverbote für alle auf der Straße schmutzigen Diesel egal welcher Abgasstufe als schnellstmögliche Maßnahme für ‚Saubere Luft‘ auf dem Rechtsweg durchsetzen“, kündigt Resch an. Am 8. Juni 2018 wird das Verwaltungsgericht Aachen über die Klage der DUH für die Einhaltung der NO2-Gernzwerte verhandeln.
Hintergrund:
Im September 2014 hatte die EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren formal eingeleitet. Basis des Verfahrens ist die in allen Mitgliedstaaten geltende EU Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG, die einen Grenzwert für die Konzentration von NO2 in der Umgebungsluft von maximal 40 µg/m³ im Jahresdurchschnitt festlegt. Dieser Wert ist seit dem 1. Januar 2010 einzuhalten.
In Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens wies die Kommission wiederholt auf fehlende Entscheidungen der Bundesregierung zur Beendigung des Steuerprivilegs für Dieselkraftstoff sowie die fehlende Festlegung von Fahrverboten für hoch emittierende Dieselfahrzeuge hin. Auch die Bestrafung von Automobilunternehmen, die der Abgasmanipulation überführt sind, hatte die EU-Kommission eingefordert und ein weiteres, eigenständiges Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland im Dezember 2016 eingeleitet.
Links:
Mehr über die Arbeit der DUH für „Saubere Luft“
Mehr über das Recht auf saubere Luft: https://www.right-to-clean-air.eu/
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
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