Pressemitteilung
Deutsche Umwelthilfe und Deutscher Mieterbund fordern sozialverträgliche Gestaltung der energetischen Sanierung für mehr Klimaschutz in Gebäuden
Berlin, 16.10.2017: In der politischen Debatte und in der medialen Berichterstattung wird unterstellt, dass sozialverträgliche Sanierungen durch die hohen Anforderungen der Energieeinsparverordnungen (EnEV) unmöglich gemacht werden und damit ganze Gesellschaftsschichten aus den attraktiven Wohngebieten gedrängt werden. Diese Diskussion ist gefährlich, denn energetische Sanierungsmaßnahmen am Gebäude sind zwingend notwendig, damit auch zukünftig Menschen aus allen Einkommensklassen in angemessenem Wohnbestand leben können. Ohne einen klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 können zudem die Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Um das Thema differenziert und sachlich zu analysieren, hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ein Papier zur Wirtschaftlichkeit von energetischer Sanierung verfasst.
Die Ergebnisse zeigen, dass nicht die energetischen Anforderungen an den Neubau oder die Bestandssanierung der Kostentreiber sind, sondern ganz andere Faktoren eine entscheidende Rolle spielen.
Die zentralen Ergebnisse des Hintergrundpapiers fasst Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH, zusammen: „Steigende Mieten, gerade in Städten und Ballungsräumen, sind vor allem auf das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage zurückzuführen. Der größte Preistreiber sind die stark angestiegenen, zahlreichen Möglichkeiten von Mietanpassungen bei Wiedervermietungsverträgen durch unzureichende rechtliche Rahmenbedingungen. Auch bei den steigenden Baupreisen spielen energetische Anforderungen eine untergeordnete Rolle. Andere Faktoren wie gestiegene Grunderwerbssteuern und höhere Grundstückspreise tragen in wesentlich größerem Umfang zu steigenden Baukosten bei. Eine Absenkung der Energieeffizienz-Anforderungen führt also nicht zu mehr bezahlbarem Wohnraum. Im Gegenteil: Langfristig profitieren Hauseigentümer und Mieter von niedrigeren Energieverbräuchen und Heizkosten.“
Die energetische Sanierung ist bereits heute in vielen Fällen wirtschaftlich. Um dies aber flächendeckend zu gewährleisten, ist die Politik gefordert, über eine Reihe von Maßnahmen sicherzustellen, dass Sanierungen qualitativ hochwertig sind und sinnvoll aufeinander abgestimmt werden. Dazu kommen die gezielte Anreizsetzung und eine gerechte Verteilung der Kosten.
Eine der zentralen Forderungen an die Politik in der kommenden Legislaturperiode ist deshalb, die Rahmenbedingungen für die energetische Gebäudesanierung insbesondere im Mietwohnungsbereich zu verbessern, um einen Interessenausgleich zwischen den unterschiedlichen Akteuren (Mieter, Vermieter) herbeizuführen. Gemeinsam setzen sich DMB und DUH dafür ein, die Rahmenbedingungen für energetische Sanierungsmaßnahmen sozialverträglicher zu gestalten, um damit die Akzeptanz zu verbessern.
„Die gesetzliche Regelung, dass elf Prozent der Modernisierungskosten zeitlich unbefristet auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden dürfen, ist ein Fremdkörper im geltenden Mietpreisrecht, führt zu völlig überzogenen Mietpreissteigerungen, ist nicht mehr zeitgemäß und sollte entfallen. Als erster Schritt sollte die Modernisierungsumlage unserer Ansicht nach auf sechs Prozent reduziert werden. Damit können Mieter entlastet werden“, erklärt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des DMB. Um dennoch Sanierungsanreize für den Vermieter zu schaffen, muss er direkt von öffentlicher Förderung profitieren. „Fördermittel müssen zielgruppenspezifisch angepasst und ausgerichtet werden, damit sie ihre Wirkung entfalten. Für den Vermieter kann damit ein Ausgleich für die reduzierte Modernisierungsumlage geschaffen werden“, so Ropertz.
Eine dritte Kernforderung der beiden Verbände betrifft die steuerliche Absetzbarkeit von Kosten der energetischen Sanierung. „Um den Eigentümer zu energetischen Sanierungen zu motivieren, setzen wir außerdem auf die steuerliche Abschreibung. Ein Steuerbonus zur Absetzung der energetischen Sanierungskosten wäre ein wichtiger Anreiz für Hauseigentümer, die Gebäudesanierung voranzutreiben. Bereits die letzte Regierung hatte im Koalitionsvertrag zugesagt, die steuerliche Absetzbarkeit energetischer Sanierung zu verabschieden. Hier haben die Union und die SPD ihr Versprechen gebrochen. Angesichts der großen Herausforderungen im Hinblick auf das Erreichen der Klimaschutzziele 2020 ist dies eine der ersten Maßnahmen nach Regierungsbildung, die auf den Weg gebracht werden muss“, so Metz.
Der Deutsche Mieterbund und die Deutsche Umwelthilfe fordern von allen Parteien ein klares Bekenntnis zum sozialverträglichen Klimaschutz im Gebäude. In einem „6-Punkte-Sofortprogramm für sozialverträglichen Klimaschutz im Gebäude“ fordern DMB und DUH:
- CO2-Emissionen als Bemessungsmaßstab der Energiebesteuerung ergänzen.
Die bestehenden Energiesteuern müssen um eine CO2-Komponente erweitert werden, um die ökologischen Folgekosten einzupreisen und so die Wettbewerbsfähigkeit von Energieeffizienzmaßnahmen und erneuerbaren Strom-Wärme-Anwendungen zu erhöhen. Für die Sozialverträglichkeit ist es wichtig, mögliche Verteilungseffekte zwischen den gesellschaftlichen Gruppen zu prüfen und einen Teil der Einnahmen aus Energiesteuern für die finanzielle Entlastung einkommensschwacher Haushalte zu verwenden (z.B. Heizkostenzuschuss, kostenlose Effizienzberatung). Für den Mietwohnungsbereich ist eine Lösung zu finden, die verhindert, dass Mieter mit höheren Energiekosten belastet werden, obwohl sie keinen Einfluss auf den Energieträger oder Entscheidungen zu Modernisierungsinvestitionen haben. - Die Modernisierungsumlage anpassen.
Der Paragraf 559 BGB muss grundlegend überarbeitet werden. Insbesondere muss die Modernisierungsumlage von elf auf sechs Prozent herabgesetzt werden. Dadurch kann die finanzielle Last für Mieter gesenkt werden. Innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren darf die Miete wegen energetischer Modernisierungen um nicht mehr als 1,50 Euro/m2 steigen. - Fördermittel gezielt einsetzen und Anreize für Vermieter schaffen.
Das gelingt nur, wenn der Vermieter direkt von öffentlicher Förderung profitieren kann und die Antragstellung weniger bürokratisch erfolgt. Deshalb dürfen öffentliche Fördermittel nicht länger auf die Modernisierungskosten angerechnet werden, sondern müssen dem Eigentümer direkt zugutekommen. Hierdurch würde der Vermieter auch gleichzeitig einen Ausgleich zu der deutlich reduzierten Modernisierungsumlage erhalten. - Steuerliche Anreize für energetische Sanierungen setzen.
Die steuerliche Förderung für selbstgenutzten Wohnraum muss mindestens über zehn Jahre laufen, progressionsunabhängig durch Abzug von der Steuerschuld. Das Fördervolumen muss mindestens 1,5 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Die Höhe und Voraussetzungen für den steuerlichen Abzug sollten am CO2-Gebäudesanierungsprogramm ausgerichtet werden. - Anpassung der Mietspiegelregelung vornehmen.
Die energetische Beschaffenheit eines Gebäudes muss verbindlich in die Mietspiegel integriert und zu einem klaren Wettbewerbsfaktor werden. Es darf keinen Automatismus zwischen der Mieterhöhung bei energetischer Sanierung einiger Wohnungen und der Erhöhung der ortsüblichen Vergleichsmiete für alle Wohnungen geben. - Energetisch sanierten Wohnraum einkommensschwachen Haushalten zugänglich machen.
Kommunen und Gemeinden müssen ihrer hohen sozialen Verantwortung gerecht werden. Wohnungsbestände müssen in kommunaler Hand bleiben. Es müssen sozialverträgliche energetische Sanierungsfahrpläne erstellt werden. Ein Klimawohngeld ist einzuführen.
Links:
- Das Hintergrundpapier „Energetische Gebäudesanierung – Fragen und Antworten zur Wirtschaftlichkeit“ finden Sie hier: http://l.duh.de/p171016
- Mehr zum Thema: http://www.duh.de/energie_gebaeude/
Kontakt:
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin DUH
030 2400867 74, 0170 7686923, metz@duh.de
Ulrich Ropertz, Geschäftsführer DMB
030 223 23 35, Ulrich.ropertz@mieterbund.de
DUH-Pressestelle
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de