Pressemitteilung
Deutsche Umwelthilfe und NRW-Landesregierung schließen gerichtliche Vergleiche für die Saubere Luft und die Verkehrswende in sieben Städten
Berlin, 28.2.2020: In den Verfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land Nordrhein-Westfalen für die Saubere Luft in Bielefeld, Bochum, Düren, Gelsenkirchen, Hagen, Oberhausen und Paderborn haben die DUH, das beklagte Land und die Städte unter Vermittlung des 8. Senats des Oberverwaltungsgerichts NRW gerichtliche Vergleiche geschlossen. Mit dem ausgehandelten Maßnahmenkatalog verpflichten sich das Land NRW und die Städte, den Grenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m3 im Jahresmittel in diesem Jahr erstmals einzuhalten. Die Vergleiche sind seit dem heutigen 28. Februar 2020 rechtswirksam. Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt die Klagen für Saubere Luft der DUH.
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Heute ist ein guter Tag für die Saubere Luft in sieben großen Städten in Nordrhein-Westfalen. Wir freuen uns über die detaillierten Maßnahmenkataloge, die wir jeweils unmittelbar mit der NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser und den jeweiligen Stadtoberhäuptern vereinbaren konnten. Nach zehn langen Jahren durch Dieselabgase vergifteter Stadtluft ist die Saubere Luft nun in greifbarer Nähe. Wenn alle beschlossenen Maßnahmen konsequent und schnell umgesetzt werden, wird die Einhaltung des Grenzwerts für das Dieselabgasgift NO2 in diesen sieben Städten gelingen. Um zu verhindern, dass beschlossene Maßnahmen nicht oder nur halbherzig umgesetzt werden, haben wir in allen sieben Vergleichen einen Kontrollmechanismus verankert, der über die Anrufung einer Schiedsstelle unmittelbar weitere Maßnahmen wie Diesel-Fahrverbote auslösen kann.“
DUH, Land und die jeweiligen Städte haben in den Vergleichen vereinbart, dass die DUH über die vorhandenen sowie weitere von der DUH benannte Messstellen kontinuierlich über die Entwicklung der Belastungswerte informiert wird und, falls die erwartete Minderung nicht eintritt, weitere verkehrslenkende oder verkehrsreduzierende Maßnahmen ergriffen werden.
Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt, ergänzt: „Ähnlich wie in den bisherigen Verfahren zu Bonn, Dortmund und Essen sind Vergleiche gelungen, die endlich rechtmäßige Zustände schaffen. Mehrstufige Maßnahmen und kontinuierliche Kontrollen an verschiedenen Messpunkten geben allen Seiten Transparenz und Handlungssicherheit.“
Wesentlicher Bestandteil der Vergleichsvereinbarung ist zudem eine fortlaufende Wirkungskontrolle der festgesetzten Maßnahmen. Sollte die DUH Erkenntnisse haben, dass Grenzwerte überschritten werden, ist das Land verpflichtet, diesen Verdachtsfällen nachzugehen. Führen die beschlossenen Maßnahmen nicht zur einer Grenzwerteinhaltung im Jahresmittel 2020, sehen die Vereinbarungen „Auffanglösungen“ vor. Sollte selbst mit den vereinbarten Auffangmaßnahmen immer noch eine Überschreitung bleiben, gibt es ein Schiedsverfahren, in dem kurzfristig wirksame harte Maßnahmen wie ein Diesel-Fahrverbot zusätzlich beschlossen werden. Ein derartiger Schiedsspruch ist nicht mehr anfechtbar.
Alle Maßnahmen und die Auffanglösung werden in neue rechtsgültige Luftreinhaltepläne aufgenommen. Diese enthalten außerdem Prognosen zur Entwicklung der NO2-Werte. Damit ist eine unverzügliche Umsetzung der Maßnahmen garantiert.
Alle drei Parteien der Vergleiche, das Land NRW, die jeweilige Stadt und die DUH, fordern zudem in der Präambel des richterlichen Vergleichs die Autokonzerne zu einer beschleunigten Hardware-Nachrüstung der schmutzigen Diesel-Bestandsfahrzeuge auf. Zudem hat sich das Land verpflichtet, zu prüfen, welche Dieselfahrzeuge im Landesbesitz kurzfristig nachgerüstet werden. Hierzu wurden für das 1. Quartal 2020 Gespräche zwischen der DUH und der Landesregierung vereinbart.
Hintergrund
Aus den jeweils umfangreichen Maßnahmenpaketen der gerichtlichen Vergleiche nachfolgend einzelne ausgewählte Maßnahmen:
Maßnahmenpaket Bielefeld:
Durch die dauerhafte Umgestaltung des Bielefelder Jahnplatzes und weiterer Verkehrslenkungsmaßnahmen wird der motorisierte Individualverkehr an diesem zentralen Innenstadtplatz um 45% reduziert und die Aufenthaltsqualität deutlich verbessert.
Über die im Vergleich enthaltenen konkreten Maßnahmen zum Ausbau der Radinfrastruktur spricht sich die DUH für die Annahme der Ziele des Radentscheids Bielefeld aus und empfiehlt der Stadt, diese schnellstmöglich umzusetzen. Alle technisch nachrüst- und förderbare Kommunalfahrzeuge erhalten eine Hardware-Nachrüstung auf Euro VI.
Maßnahmenpaket Bochum:
Auf der Herner Straße wird eine kontinuierliche Verkehrszählung eingerichtet und im Rahmen des Vergleichs die Verkehrsmenge um 21 % reduziert. Die Parkraumbewirtschaftung wird räumlich und zeitlich ausgeweitet und kostenfreies Parken stark reduziert. Die Einrichtung weiterer von der DUH benannter Messstellen soll sicherstellen, dass keine neuen bzw. bisher unbekannte Grenzwertüberschreitungen mit dem Dieselabgasgift NO2 bestehen. Die Stadt Bochum wird sich bei der BOGESTRA für die Hardware-Nachrüstung aller technisch nachrüst- und förderbaren Busse auf Euro VI einsetzen. Alle technisch nachrüst- und förderbare Kommunalfahrzeuge erhalten eine Hardware-Nachrüstung auf Euro VI.
Maßnahmenpaket Düren:
Einführung eines LKW-Fahrverbot und deutliche Reduzierung der Verkehrsmengen und die Verringerung der Fahrspuren von vier auf zwei auf der Euskirchener Straße. Diese Maßnahmen bleiben auch nach Freigabe der kompletten Ostumgehung bestehen. Zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV wurde der Stadttarif von 2,70€ auf 1,50€ reduziert. Die Stadt Düren wird sich bei demRurtalbus für die Hardware-Nachrüstung aller technisch nachrüst- und förderbaren Busse auf Euro VI einsetzen
Maßnahmenpaket Gelsenkirchen:
Das Fahrverbot für LKW auf der Kurt-Schumacher-Straße wird weiter verschärft und wirkungsvoll kontrolliert. Weitere Fahrradstraßen sind vereinbart, ebenso der Ausbau der Radabstellanlagen und eine „Sofortprogramm Mängelbeseitigung“ als weitere Schritte, den Radverkehr zu stärken. Die Stadt Gelsenkirchen wird sich bei der BOGESTRA für die Hardware-Nachrüstung aller technisch nachrüst- und förderbaren Busse auf Euro VI einsetzen. Alle technisch nachrüst- und förderbare Kommunalfahrzeuge erhalten eine Hardware-Nachrüstung auf Euro VI.
Maßnahmenpaket Hagen:
Die Verkehrsmenge auf dem Graf-von-Galen-Ring wird bereits ab März 2020 deutlich reduziert. Eine Busspur auf der Körnerstraße wird eingerichtet, diese ermöglicht einen verbesserten Verkehrsfluss der Busse in Hauptbahnhofnähe. Durch eine deutliche Reduzierung der Verkehrsmenge um mehr als 5.000 Fahrzeugen pro Tag u. a. durch die Einführung einer Tempo 30 soll auch die Grenzwerteinhaltung am Märkischen Ring sichergestellt werden. Alle technisch nachrüst- und förderbare Busse und Kommunalfahrzeuge erhalten eine Hardware-Nachrüstung auf Euro VI.
Maßnahmenpaket Oberhausen:
Einführung eines ganztägigen LKW-Fahrverbots auf der Mülheimer Straße inklusive zweier teilstationärer Messanlagen. Alle technisch nachrüst- und förderbare Busse und Kommunalfahrzeuge erhalten eine Hardware-Nachrüstung auf Euro VI. Sowohl die Höhe der Parkgebühren, als auch die bewirtschaftete Fläche wurde in einem ersten Schritt durch die Stadt Oberhausen verdoppelt.
Maßnahmenpaket Paderborn:
Unter allen NRW-Städten hat Paderborn bereits eine besonders saubere Busflotte und ist zudem auch in seiner Tarifgestaltung Vorreiter bei der Verkehrswende. Das Paderborner Stadtbussystem „PaderSprinter“ war eines der ersten Unternehmen, dass die gesamte Busflotte auf den modernsten Abgasstandard Euro VI nachgerüstet hat. Durch Tarifoptimierungen besteht neuerdings ein Jahresticket für 99ct pro Tag. Im Sommer 2020 sollen darüber hinaus die Tarife für Kurzstrecken und Schüler-Tickets reduziert werden und die Busnutzung an jedem ersten Samstag im Monat kostenlos werden.
Links:
Die Vergleiche mit den jeweiligen Städten zum Download finden Sie am Ende dieser Seite.
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
0171 2435458, klinger@geulen.com
DUH-Pressestelle:
Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann, Thomas Grafe
030 2400867-20, presse@duh.de