Pressemitteilung
Deutsche Umwelthilfe sieht Verbesserungen, aber keine Entwarnung bei der Luftbelastung in Deutschland 2019
Berlin, 11.2.2020: Die Belastung der Luft in deutschen Städten mit Schadstoffen ist nach wie vor deutlich zu hoch. Zu diesem Schluss kommt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) angesichts des Berichtes des Umweltbundesamts (UBA) „Luftqualität 2019“ zu den Luftschadstoffdaten von Stickstoffdioxid (NO2), Feinstaub und Ammoniak. Demnach überschritten im Jahr 2019 rund 20 Prozent der verkehrsnahen Messstellen den EU-Grenzwert für NO2 von 40 μg/m³ im Jahresmittel. Die im Jahr 2019 ermittelten NO2-Belastungen durch Passivsammlermessungen sind leider nicht vollständig veröffentlicht. Die DUH geht davon aus, dass dadurch auch die Zahl der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen 21 Städte wesentlich steigt. Die DUH fordert die Einhaltung des Grenzwerts so schnell wie möglich, jedoch spätestens im Jahresmittel 2020.
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Wir freuen uns über die teilweise gesunkenen Werte. Es gibt noch immer Überschreitungen des Grenzwerts für das gesundheitsschädliche Dieselabgasgift NO2. Leider wurden die Messwerte aus den häufig besonders stark belasteten engeren Straßenschluchten, die per Passivsammler ermittelt werden, nicht veröffentlicht. Hier finden sich gerade die besonders hohen Überschreitungen. Insofern ist die Zahl der 36 Messstellen mit Überschreitungen nicht korrekt. Ein Grund für die Verringerung der Werte im Jahr 2019 liegt - so ein Experte der TU Berlin - an der besonderen Wetterlage dieses Jahres. In weniger windabhängigen Messorten, wie Innenstadtbereichen von Frankfurt, in denen der Wind nicht gut zirkulieren kann, blieb die Belastung in 2019 gleich oder ist sogar angestiegen. Das Problem der hohen NO2-Belastungen in vielen unserer Innenstädte löst sich nicht von alleine – es muss konkrete Maßnahmen für die Saubere Luft und die Verkehrswende geben. Diesel-Fahrzeuge müssen mit wirksamen Hardwarenachrüstungen auf Kosten der Hersteller eine auch im Winterhalbjahr funktionierende Abgasreinigung erhalten. Hier sind wir insbesondere auf die bevorstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshof zur Frage gespannt. Damit wird höchstrichterlich entschieden, ob die vom Verkehrsministerium und dem nachgelagerten Kraftfahrtbundesamt akzeptierten Abschaltungseinrichtungen bei winterlichen Temperaturen im Einklang mit Europarecht stehen. Diese Entscheidung wird auch Auswirkungen auf die so genannten Software-Updates haben. Wir halten diese für illegal. Die anhaltenden NO2-Grenzwertüberschreitungen im nunmehr elften Jahr zeigen überdeutlich, dass die bisher getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen. Politisches Handeln muss sich an den besonders schutzbedürftigen Kindern und Asthmakranken orientieren.“
Zudem atmet die Bevölkerung in weiten Teilen Deutschlands nach wie vor zu viel Feinstaub ein. Eine besonders relevante Quelle von Feinstaub und vor allem von ultrafeinen Partikeln sind Holzfeuerungsanlagen wie z.B. Kaminöfen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte der Tagesmittelwert für Feinstaub nicht öfter als 3-mal im Jahr eine Belastung von 50 μg/m³ überschreiten. Trotz des vergleichsweise milden Wetters in der Heizperiode war laut UBA-Bericht die Luft jedoch an mehr als einem Drittel der Messstellen höher belastet als die WHO für tolerabel hält. Zudem wird die Belastung vielerorts gar nicht erfasst: In Wohngebieten und im ländlichen Raum, wo die Feinstaubbelastung durch das Heizen mit Holz besonders hoch sein kann, sind in der Regel keine Messstellen vorhanden.
„Emissionsarme Anlagen mit wirksamer Abgasreinigung müssen Pflicht werden. Wir fordern Länder und Kommunen auf, die Kriterien des neuen Blauen Engels für Kaminöfen als Mindeststandard in lokalen Verordnungen für Einzelraumfeuerungen zu nutzen. Auch das neue Marktanreizprogramm der Bundesregierung zur Förderung erneuerbarer Wärme muss nachgebessert werden. Effektive Partikelabscheider sollten bei der Förderung von Holzheizkesseln und Pelletöfen verpflichtend sein – sowohl im Neubau als auch im Bestand“, so Dorothee Saar, Bereichsleiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH.
Einfluss auf die Luftqualität haben ebenfalls Emissionen aus der Landwirtschaft. Ammoniak führt zur Bildung von Feinstaub, Methan zur Bildung von bodennahem Ozon. Beide Schadstoffe beeinflussen die Luftqualität in Städten und dem ländlichen Raum und damit die Gesundheit der Einwohner. Diese Schadstoffe stammen vorwiegend aus der Landwirtschaft, werden bislang aber nur unzureichend adressiert. Im Zeitraum von 2017 bis 2019 überschritten 41 Prozent aller Ozon-Messstellen den Zielwert zum Schutz der Gesundheit. Das sind im Vergleich zum letzten Zeitraum 13 Prozent mehr.
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH, betont: „Die landwirtschaftlichen Ammoniak-Emissionen in Deutschland steigen seit 2010. Der dadurch entstehende Feinstaub schadet der Gesundheit. Reduktionsmaßnahmen müssen insbesondere in der Nutztierhaltung und bei der Düngung auf dem Feld ansetzen. Das ist seit langem bekannt, wird aber auch von der amtierenden Ministerin Klöckner nicht angepackt.“
Hintergrund:
Die gesundheitliche Relevanz von Luftschadstoffen werden durch mehrere Papiere und Stellungnahmen verschiedener wissenschaftlicher Vereinigungen, wie beispielsweise der Internationalen Gesellschaft für Umweltepidemiologie (ISEE) und der European Respiratory Society (ERS), der 900 Mitglieder zählende Gesellschaft der Kinder-Pneumologen – Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (GPP), des Forum of International Respiratory Societies (FIRS) und des Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP) verdeutlicht. Diese verteidigen die WHO-Grenzwerte und fordern deren Einhaltung. Demnach sind die gesundheitsschädlichen Wirkungen der diskutierten Luftschadstoffe wissenschaftlich eindeutig belegt.
Die DUH macht sich auch auf dem Rechtsweg für saubere Luft in Städten stark. Mit Informationskampagnen setzt sich der Umwelt- und Verbraucherschutzverband dafür ein, Feinstaub- und Rußemissionen aus Öfen und Heizkesseln zu senken und die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu Silvesterfeuerwerken zu verändern. Darüber hinaus adressiert die DUH im Projekt „Clean Air Farming“ (LIFE17 GIE/DE/610 CLEAN AIR FARMING) die Luftbelastung durch Methan und Ammoniak aus der Landwirtschaft.
Weitere Informationen: www.clean-air-farming.eu, www.clean-heat.eu, www.right-to-clean-air.eu
Links:
- Zum Bericht „Luftqualität 2019“ des Umweltbundesamtes: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/luftqualitaet-2019
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Dorothee Saar, Leiterin Verkehr & Luftreinhaltung
030 240086772, 0151 16225862, saar@duh.de
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin
0170 7686923, metz@duh.de
DUH-Pressestelle:
Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann, Thomas Grafe
030 2400867-20, presse@duh.de