Pressemitteilung
Deutsche Umwelthilfe gewinnt Luftreinhalteklage vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof – DUH hält Dieselfahrverbote in Frankfurt nun für unvermeidlich
Kassel/Berlin, 10.12.2019: Im Klageverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land Hessen für die Saubere Luft in Frankfurt am Main hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel die Berufung des Landes und der Stadt Frankfurt am Main zurückgewiesen und die Landesregierung von Hessen wie bereits in der Vorinstanz dazu verurteilt, schnellstmöglich einen neuen Luftreinhalteplan aufzustellen. Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt die Klage für Saubere Luft der DUH.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass der europaweit geltende Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m³ zu beachten ist und die durch das von der Diesellobby angestoßene „50-Mikrogramm-Gesetz“ des Bundes beschlossenen Aufweichungen gegen das Unionsrecht verstoßen. Ebenfalls wurde entschieden, dass die bisher von Stadt und Land vorgelegten Maßnahmen zu unkonkret sind, um den NO2-Grenzwert im gesamten Stadtgebiet einzuhalten. Deshalb seien nun konkret Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge zu prüfen und unter Berücksichtigung bestimmter Anforderungen, die der VGH näher begründet, umzusetzen. Der Umfang derartiger Verbote hängt von den kurzfristig zu erstellenden Prognosen zur Stickstoffdioxidbelastung ab. Danach wird zu entscheiden sein, ob streckenbezogene Verbote genügen oder ob verschiedene Verbotszonen innerhalb der Stadt Frankfurt eingerichtet werden müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hat ebenfalls entschieden, dass Fahrverbote auf denjenigen Straßen umzusetzen sind, bei denen nach den noch durchzuführenden Prognosen der Grenzwert selbst im Jahr 2021 nicht eingehalten werden kann.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Wir fordern die hessische Landesregierung auf, das Urteil des höchsten hessischen Verwaltungsgerichts zu respektieren und nun unmittelbar die notwendigen Dieselfahrverbote umzusetzen. Diese sind alternativlos, um 2020 im gesamten Stadtgebiet die Saubere Luft durchzusetzen. Land und Stadt sind zudem aufgefordert, mit gutem Beispiel voran zu gehen und alle Landesfahrzeuge, Busse und Kommunalfahrzeuge mit funktionstüchtigen Abgasanlagen nachzurüsten. Die Menschen in Frankfurt haben ein Recht, endlich Saubere Luft zu atmen.“
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt, ergänzt: „Leider muss man erst klagen bis sich etwas bewegt. Der Grenzwert wäre schon seit 10 Jahren einzuhalten, an vielen Stellen in Frankfurt ist er 2019 noch deutlich überschritten. Stadt und Land müssen nun endlich verstehen, dass es ihre ureigene Aufgabe ist, für die Einhaltung des Rechts zu sorgen. Ansonsten sind weitere gerichtliche Niederlagen vorprogrammiert.“
ClientEarth Anwalt Ugo Taddei sagt: „Deutsche Städte stecken den Kopf in den Sand. Die EU steht kurz davor, eine Reihe neuer, progressiver Regeln wie eine Null-Schadstoff-Strategie einzuführen – und gleichzeitig gibt es Städte wie Frankfurt, die daran scheitern, illegale Schadstoffbelastungen von Straßenfahrzeugen einzudämmen und gegen Urteile vorgehen, die die Gesundheit der Menschen schützen sollen. Egal ob es verpflichtende Nachrüstungen oder Fahrbeschränkungen sind – es muss sich jetzt etwas verändern. Deshalb ziehen wir vor Gericht. Die Industrie und Regierung müssen für die giftige Luft in unseren Städten zur Verantwortung gezogen werden. Sie lassen uns und unsere Kinder im Stich.“
Ziel der Klage der DUH ist die Einhaltung des seit 2010 EU-weit geltenden Grenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2). Der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ wird an zahlreichen Messstationen seit Jahren überschritten. Im Jahr 2018 lag die höchste Belastung einer offiziellen Messstation Am Erlenbruch 130 bei 52 µg/m³. Nach Messergebnissen, die das Land in der Verhandlung vor dem VGH überreicht hat, wurde am Börneplatz in den ersten elf Monaten 2019 ein Wert von 51 µg/m³ gemessen; dieser Wert lag damit noch höher als im Jahr 2018 an derselben Stelle. Weitere sehr hohe Messergebnisse kommen hinzu, wie beispielsweise am Riederwald mit 50 Mikrogramm. Modellierungen der Stadt prognostizieren massive Grenzwertüberschreitungen auch für 2020, wenn es nicht zu wirkungsvollen Maßnahmen kommt. Demnach ist die Stadt noch immer hoch mit dem Dieselabgasgift NO2 belastet. Das Gericht bestätigt die Sicht der DUH, dass die aktuell ergriffenen Maßnahmen nicht genügen, um den Grenzwert im gesamten Stadtgebiet so schnell wie möglich einzuhalten. Bei denjenigen Straßen, die im Jahr 2019 noch Immissionswerte von 43 Mikrogramm und mehr haben, erscheint es unwahrscheinlich, dass auf ihnen der Grenzwert im Jahr 2021 sicher eingehalten wird. Es ist daher zu erwarten, dass sich die Fahrverbote auf diese Straßen erstrecken werden.
Hintergrund:
Im November 2015 hat die DUH Klage gegen das Land Hessen eingereicht. Im September 2018 gab das Verwaltungsgericht Wiesbaden der DUH Recht und entschied, dass flächendeckende zonale Diesel-Fahrverbote in Frankfurt umgesetzt werden müssen. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat nun im Berufungsverfahren entschieden.
Links:
Übersicht über alle laufenden Klageverfahren der DUH: https://www.duh.de/themen/luftqualitaet/recht-auf-saubere-luft/uebersicht-klagen/
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt, Geulen & Klinger Rechtsanwälte, Berlin
0171 2435458, klinger@geulen.com
DUH-Pressestelle:
Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann
030 2400867-20, presse@duh.de