Pressemitteilung
Deutsche Umwelthilfe: Bayerische Staatsregierung verweigert weiterhin die „Saubere Luft“ für die Landeshauptstadt München
Berlin/München, 29.7.2019: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert in einer heute übermittelten Stellungnahme die aktuelle, siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München als rechtswidrig. Der Plan ist ungeeignet, um den seit 2010 geltenden Grenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) einzuhalten und damit schnellstmöglich die „Saubere Luft“ für die Münchner Bürgerinnen und Bürgern sicherzustellen. Bereits seit 2014 weigert sich die bayerische Staatsregierung, ein von der DUH erwirktes und seit fünf Jahren rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts München für die „Saubere Luft“ in München umzusetzen und Diesel-Fahrverbote in dem Luftreinhalteplan für die bayerische Landeshauptstadt zu verfügen. Nach wie vor wird der gesetzlich vorgeschriebene Jahresmittelwert von 40 µg NO2/m3 an allen verkehrsnahen Messstationen in München überschritten. Die Landshuter Allee ist mit 66 µg/m3 weiterhin eine der dreckigsten Straßen Europas.
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Erneut legt der Freistaat einen Luftreinhalteplan vor, der die schlechte Luft in München festschreibt. Wie lange noch hält die Staatskanzlei ihre schützende Hand über die Verursacher des größten Industrieskandals der deutschen Nachkriegsgeschichte und insbesondere deren bayerische Vertreter Audi und BMW? Anstatt die Dieselkonzerne dazu zu zwingen, die von ihnen betrogenen Käufer von 11 Millionen Diesel-Pkw zu entschädigen und Hardware-Nachrüstungen an den Fahrzeugen vorzunehmen, wird den Münchnern weiter die ihnen zustehende ‚Saubere Luft‘ verweigert.“
Die DUH fordert für die schnellstmögliche Einhaltung des NO2-Grenzwerts zonale Fahrverbote für schmutzige Diesel-Pkw und Nutzfahrzeuge bis einschließlich Euro 5/V, eine Hardware-Nachrüstung aller ÖPNV-Busse und Kommunalfahrzeuge sowie neben vielen weiteren konkreten Vorschlägen eine Stärkung des ÖPNV und gleichzeitige Verteuerung und Verknappung des Parkraums für Pkws in der Münchner Innenstadt.
Die vorliegende Fortschreibung des Luftreinhalteplans setzt zudem nur halbherzig und nur bei einem kleinen Teil der schmutzigen kommunalen Dieselflotte die vom Bund mit 80 Prozent finanziell geförderte Hardware-Nachrüstung von Bussen und schweren Kommunalfahrzeugen wie Müll- oder Straßenreinigungsfahrzeugen um. Jegliche Anreize und Vorgaben für die besonders die Luft belastenden leichten Lieferfahrzeuge fehlen zudem komplett im vorliegenden Luftreinhalteplan. Handwerker- und Lieferfahrzeuge sollen trotz staatlicher Förderprogramme unbeschränkt weiter mit beliebig schmutzigen Abgaswerten die Münchner Innenstadt befahren.
Im Zwangsvollstreckungsverfahren der DUH gegen die bayerische Staatsregierung (AZ: 22 C 18.1718) für die „Saubere Luft“ in München verhandelt der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 3. September 2019 über die Frage, ob eine Zwangshaft gegenüber den für den Luftreinhalteplan München verantwortlichen Amtsträgern zulässig und notwendig ist. Vorangegangen war ein Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) von November 2018. Darin wirft der BayVGH der Staatsregierung und ihrem Ministerpräsidenten Markus Söder evidente Amtspflichtverletzungen, eine gezielte Missachtung des Gerichts sowie die Bedrohung des Fortbestands des Rechtsstaats vor.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt, ergänzt: „Ministerpräsident und Umweltminister machen weiter wie gehabt. Zu bestaunen ist ein täglicher Verfassungsbruch, wie es ihn so in der Bundesrepublik noch nicht gab. Dass eindeutige gerichtliche Urteile über Jahre hinweg bewusst missachtet werden, ist das Niveau einer Bananenrepublik.“
Hintergrund:
Die DUH hat am 29. Februar 2012 Klage gegen den Freistaat wegen Überschreitung des Stickstoffdioxid (NO2)-Grenzwertes erhoben. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 wurde der Freistaat Bayern antragsmäßig verurteilt, den Luftreinhalteplan mit allen Maßnahmen fortzuschreiben, die erforderlich sind, um den Grenzwert für NO2 einzuhalten. Das Urteil ist seit 2014 rechtskräftig. Da trotz anhaltender Luftverschmutzung keine kurzfristig wirksamen Maßnahmen für eine schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung ergriffen werden, hat die DUH das Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet. Nachdem bereits mehrere Zwangsgelder verhängt wurden, ist die Zwangshaft die verwaltungsrechtlich nächste Konsequenz.
Der BayVGH hat durch Beschluss vom 9. November 2018 entschieden, die Frage der Zulässigkeit einer Zwangshaft gegenüber den für den Luftreinhalteplan München verantwortlichen Amtsträgern dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der BayVGH stellt in seinem Beschluss fest, dass die Haltung der Landesregierung ein für den Fortbestand des Rechtsstaats bedrohliches Rechts- und Politikverständnis zeigt (Beschluss, Rn. 120). Nach der Rechtsauffassung des BayVGH ist im nationalen Recht nicht mit abschließender Klarheit geregelt, ob in einer solchen Situation auch zum Mittel der Zwangshaft gegriffen werden dürfe. Diese Klarheit könnte sich aber dadurch ergeben, dass das Recht der Europäischen Union dazu verpflichte, im Zweifel zur Anwendung dieses Mittels zu greifen, wenn sich andernfalls das Unionsrecht nicht effektiv durchsetzen ließe.
Links:
- Die Stellungnahme der DUH zur siebten Fortschreibung des Luftreinhalteplans München finden Sie am Ende dieser Seite.
- Beschluss BayVGH vom 9. November 2018: l.duh.de/p181121
- Ankündigung der Verhandlung über eine mögliche Zwangshaft für bayerische Regierungsvertreter: l.duh.de/p190712
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
030 8847280, 0171 2435458, klinger@geulen.com
DUH-Pressestelle:
Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann
030 2400867-20, presse@duh.de