Während der SARS-CoV-2-Pandemie haben Städte europaweit „Pop-up-Radwege“ sowie zahlreiche weitere Maßnahmen in kürzester Zeit umgesetzt, die zu einer Umverteilung des öffentlichen Raums zugunsten von Rad- und Fußverkehr beitragen. Insbesondere in Berlin, aber auch in vielen anderen deutschen Städten, wurden diese Maßnahmen innerhalb weniger Wochen beschlossen und umgesetzt. Das ist insofern bemerkenswert, als dass Infrastrukturplanungsprozesse gewöhnlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen.
Die Frage der Rechtmäßigkeit von „Pop-up-Radwegen“ auf Basis der aktuell gültigen Straßenverkehrsordnung wird intensiv diskutiert. Unabhängig von einem dringenden Reformbedarf des Straßenverkehrsrechts, können Städte bereits jetzt ihre Handlungsspielräume ausnutzen um Rad- und Fußverkehr zu fördern und den Straßenverkehr damit klima- und stadtverträglicher zu gestalten.
Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe legt dar, dass die Einrichtung von Pop-up-Radwegen unabhängig von infektionsschutzrechtlichen Erwägungen zulässig ist.
Die straßenverkehrsrechtliche Anordnung von Pop-up-Radwegen folgt den gleichen Regeln wie die Anordnung sonstiger Radfahrstreifen. Insbesondere sind diese von der Darlegung einer qualifizierten Gefahr für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer befreit und können schnell angeordnet werden. Es ist lediglich die Gefährlichkeit der bisherigen Verkehrssituation darzulegen, was beispielsweise aufgrund von Verkehrsstärken und/oder Unfallstatistiken geschehen kann.
Eine ebenso einfache verkehrsregelnde Anordnung (ohne Erfordernis der Darlegung einer qualifizierten Gefahrenlage, ohne Notwendigkeit einer straßenrechtlichen Teileinziehung und ohne Einvernehmen der Gemeinde) kommt bei Schutzstreifen für den Radverkehr, „unechten“ Fahrradstraßen (also solche, in denen Kfz-Verkehr noch zugelassen ist) und Tempo 30 vor besonders schutzbedürftigen Einrichtungen in Betracht. Diese Maßnahmen lassen sich daher unter Berücksichtigung relativ geringer rechtlicher Anforderungen und damit verhältnismäßig schnell verwirklichen.
Liegen hinreichende Informationen zur Darlegung einer qualifizierten Gefahr vor, kommen weitere Maßnahmen, wie z.B. die Errichtung von Zebrastreifen oder für den Radverkehr freigegebene Bus- bzw. Umweltspuren in Betracht. Auch die Unterbindung von Auto- und Lkw-Durchgangsverkehr durch „modale Filter“ ist bereits heute rechtlich möglich und kann sowohl durch Verkehrszeichen (z.B. Einbahnstraßenregelungen), Verkehrseinrichtungen (z.B. Diagonalsperren durch Sperrpfosten) als auch durch bauliche Sperren (z.B. Blumenkübel) umgesetzt werden. Trotz hoher Anforderungen an die Darlegung einer qualifizierten Gefahrenlage eignen sich diese Maßnahmen aufgrund ihrer schnellen Realisierbarkeit zur Beschleunigung der Verkehrswende.
Rechtlich zulässig ist zudem die Einrichtung von Fahrradstellplätzen im Parkstreifen oder auf der Fahrbahn. Ebenfalls möglich ist die probeweise Durchführung verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen. Solche sog. Erprobungsmaßnahmen sind von der Darlegung einer qualifizierten Gefahrenlagebefreit.
Zur schnellen Umsetzung von Maßnahmen bietet sich die zunächst nur vorübergehende Anordnung allein aus dem praktischen Grund an, dass die kurzfristige Errichtung durch Gelbmarkierungen auf der Fahrbahnmöglich ist, ohne dass die ursprünglichen weißen Markierungen direkt entfernt werden müssen.
Das Gutachten stellt klar: Die Kommunen haben bereits jetzt Handlungsoptionen zur Reduzierung des Verkehrslärms, Verbesserung der Luftqualität und Erhöhung der Aufenthaltsqualität, was auch dem lokalen Einzelhandel zugutekommt. Gleichzeitig bieten diese Maßnahmen eine gute Grundlage für den dringend notwendigen, grundlegenden Umbau der städtischen Mobilität. Der Verkehrssektor, der als einziger Bereich bisher keinen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen aufweist, muss nun schnell nachsteuern.
Kontakt
Robin Kulpa
Stellvertretender Bereichsleiter Verkehr und Luftreinhaltung
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