Warum wir Pop-up-Radwege brauchen
Für saubere, sichere und lebenswerte Städte fordert die Deutsche Umwelthilfe eine schnelle Mobilitätswende. Das heißt konkret: Wir brauchen eine kurzfristige Verdopplung der Radwege und eine Halbierung der Autos.
Unsere Städte ersticken im Autoverkehr. Schwere Unfälle mit Fahrradfahrenden sind wegen fehlender sicherer Fahrradwege jeden Tag traurige Realität. Die Unfallstatistik verzeichnet allein im Jahr 2019 mehr als 15.000 schwerverletzte Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer. In Städten stieg die Zahl der getöteten Radfahrenden zuletzt sogar auf 271 Fälle im Jahr 2019.
Sicher unterwegs mit dem Rad
Dass die Menschen immer häufiger Fahrrad fahren wollen, spiegelt sich in seit Jahren steigenden Zahlen der Radfahrerenden wider. Um Radfahrende jetzt zu schützen und noch mehr Menschen zum Umsteigen aufs Rad zu bewegen, müssen zwingend breite, sichere und gut sichtbare Fahrradwege sowie viele attraktive Abstellmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für mehr Sicherheit sollte auch die Gestaltung der Kreuzungen berücksichtigt werden.
Die Kommunen müssen ihre Infrastruktur so gestalten, dass sich auch Kinder, Familien und ältere Menschen auf dem Fahrrad sicher fühlen. Dazu bedarf es einer Umverteilung des öffentlichen Raums weg vom Auto und hin zum Menschen. Der notwendige Umbau unserer Städte schafft für seine Bewohnenden eine neue Lebensqualität durch mehr Platz, weniger Lärm und saubere Luft zum Atmen. Eine besondere Dringlichkeit ergibt sich dabei aus der Klimakrise: Unser verbleibendes CO2-Budget um die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen wird von Jahr zu Jahr kleiner. Der Verkehrssektor ist der einzige Sektor, in dem der Treibhausgasausstoß weiter steigt.
Mehr Radwege schnell umsetzen
Pop-up-Radwege – also schnell errichtete und dennoch sichere und vorerst provisorisch markierte Radwege – machen die Umsetzung der Forderung nach einer Verdopplung der Radwege innerhalb kürzester Zeit möglich. Wichtig dabei: Planung und Bau von Radwegen müssen deutlich schneller durchgeführt werden als bisher. Was erst in fünf oder zehn Jahren umgesetzt wird, kommt zu spät, um das Ruder noch rumreißen zu können. Wir brauchen die Mobilitätswende JETZT! Das kann nur gelingen, wenn die zuständigen Kommunen mit Hilfe von (zunächst) vorläufigen Pop-up-Maßnahmen die Veränderung schnell und unkompliziert ins Rollen bringen.
Pop-up-Maßnahmen als Soforthilfe für den Klimaschutz und die Verbesserung der Luftqualität
Im Jahr 2020 sind in zahlreichen deutschen Städten kurzfristig Pop-up-Radwege, Fahrradstraßen und verkehrsberuhigte Straßen zum Spielen, Flanieren und Verweilen geschaffen worden. Die Corona-Pandemie war zwar Anlass, aber nicht Rechtsgrund für die Anordnung von Pop-up-Radwegen. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe bestätigt, dass Pop-up-Maßnahmen unabhängig von infektionsschutzrechtlichen Erwägungen zulässig sind. Hier finden Sie die wesentlichen Inhalte des Rechtsgutachtens zusammengefasst. Das Rechtsgutachten in voller Länge finden Sie ebenfalls im Download-Bereich dieser Seite.
Pop-up-Radwege sind rechtlich und praktisch möglich, effektiv und effizient!
Pop-up-Radwege werden zunächst provisorisch und damit sehr schnell errichtet – sie werden mit gelber Farbmarkierung einfach auf die Straße gemalt. Dabei folgen auch diese Radwege bei der Planung und Begründung dem üblichen durch die Straßenverkehrsordnung (StVO) vorgegebenen Anordnungsverfahren. Selbst wenn ein Radfahrstreifen dauerhaft errichtet werden soll, bietet sich die zunächst nur vorübergehende Anordnung allein aus dem praktischen Grund an, dass die kurzfristige Errichtung durch Gelbmarkierungen auf der Fahrbahn möglich ist, ohne dass die ursprünglichen weißen Markierungen direkt entfernt werden müssen. Poller können durch mobile Baken oder andere aus der Baustelleneinrichtung bekannte Instrumente realisiert werden.
Darüber hinaus kann die provisorische Errichtung als Praxistest verstanden werden, der wesentliche Planungsschritte vereinfacht und beschleunigt. Gegenüber jahrelanger Detailplanungen und einer finalen Realisierung, die nur mit hohem finanziellen Aufwand wieder geändert werden kann, bieten Pop-up-Radwege die Option, sie schnell und günstig auszuprobieren. Ebenso schnell und günstig können sie nachgebessert und umgestaltet werden. Wenn sich aber eine Pop-up-Maßnahme in der praktischen Probe bewährt hat, kann sie später auf klassischem Weg verstetigt werden – dann aber mit der Sicherheit und dem Rückhalt des bereits nachgewiesenen Erfolgs. Das bedeutet nicht weniger als eine Revolution der komplexen deutschen Verwaltungsabläufe. Zudem stoßen Pop-up-Radwege laut repräsentativer Umfrage des Bundesverkehrsministeriums (September 2020) auch in der breiten Bevölkerung auf große Zustimmung.
Pop-up Radwege sind notwendig für mehr Klimaschutz, weniger Luftverschmutzung und Lärm und mehr Lebensqualität in unseren Städten
Der Verkehrssektor trägt entscheidend zur Klimakrise bei, indem er für fast 20 Prozent der CO2-Emissionen Deutschlands verantwortlich ist. Dabei ist der Verkehr der einzige Sektor, in dem die CO2-Emissionen weiter steigen. Ein Großteil der Emissionen wird dabei durch den Straßenverkehr verursacht, der zudem für die schlechte Luftqualität und eine hohe Lärmbelastung vor allem in den Städten verantwortlich ist. Diese Umweltbelastung führt nachgewiesen zu zahlreichen Erkrankungen und vorzeitigen Todesfällen – zusätzlich zu der erschreckend hohen Zahl an Verkehrsunfällen. Das Erscheinungsbild unserer Städte ist das Ergebnis von vielen Jahrzehnten autofreundlicher Planung. Um Straßen zu queren muss man ewig warten, dunkle Unterführungen oder nicht-barrierefreie Brücken überwinden. Anstatt Grünflächen und Spielplätze gibt es Parkplätze und noch mehr Parkplätze. Der schmale Fußweg muss zusätzlich mit Mülltonnen, Leihrollern und Außengastronomie geteilt werden, so dass Menschen mit Kinderwagen oder Rollstuhl in Ihrer Mobilität erheblich eingeschränkt sind. Nur der Autoverkehr hat zum Fahren und Parken mehrere Spuren zur Verfügung. Wir leben in Autostädten!
Wenn man berücksichtigt, dass das Auto in mehr als der Hälfte aller Fälle für Fahrten genutzt wird, die nicht länger als 5 Kilometer sind, lässt sich ein riesiges Potential erkennen: Diese Strecken lassen sich hervorragend mit Verkehrsmitteln zurücklegen, die keine negativen Auswirkungen auf die Luft und das Klima haben, die uns fit halten und weniger Platz benötigen: Fuß- und Radverkehr. Trotz aller Vorteile wird für diese Formen des Verkehrs bisher keine ausreichende und attraktive Infrastruktur bereitgestellt. Es ist an der Zeit, dass diese Alternativen endlich den Platz erhalten, der Ihnen zusteht.
Pop-up-Maßnahmen sind effizient, weil sie kostengünstig und schnell umgesetzt werden können. Die Planung und Umsetzung baulicher Radwege benötigt bisher zwei bis zehn Jahre. Die Umsetzung provisorischer Anlagen lediglich wenige Tage bis Wochen. Nach den bisher gesammelten Erfahrungen kann die Planungsdauer für die spätere bauliche, dauerhafte Umsetzung auf zwei bis zwölf Monate verkürzt werden. Auch bei den Kosten schneiden die Pop-up-Radwege deutlich besser ab als das klassische Pendant: Für die Umsetzung baulicher Radwege sind bisher 100.000-500.000 Euro je Kilometer, zuzüglich ca. 40.000 Euro Planungskosten je Kilometer anzusetzen. Die Umsetzung von Pop-up-Radwegen kostet hingegen nur ca. 9.500 Euro je Kilometer. Durch die temporäre Einrichtung kann zudem schnell auf mögliche verkehrsplanerische Schwachstellen reagiert werden. Daher muss die vorherige Planung nicht jedes Detail in Perfektion erfassen, die nachgestellte Planung zur dauerhaften Umsetzung kann diese wertvollen Erfahrungen aber mit einbeziehen und berücksichtigen.
Initiative „Pop-up Radwege Jetzt!“ der Deutschen Umwelthilfe
Unter Mithilfe von mehr als 4.000 Rückmeldungen aus der Bevölkerung haben wir uns schon 2020 für mehr Platz und Sicherheit für Fahrradfahrende eingesetzt und Anträge in über 200 Städten gestellt. Viele Städte haben jedoch Bedenken gegenüber beschleunigten Planungsverfahren geäußert.
Unser Rechtsgutachten belegt: Städte können schon heute rechtssicher Maßnahmen der Mobilitätswende wie Fahrradwege anordnen und diese auch schnell umsetzen.
Deshalb lassen wir nicht locker! Helfen Sie mit, den Druck weiterhin hoch zu halten und teilen Sie uns mit, in welcher Stadt auch dringend mehr sichere Infrastruktur für Radfahrende benötigt wird.
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Kontakt
Robin Kulpa
Stellvertretender Bereichsleiter Verkehr und Luftreinhaltung
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