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Lebensmittel im Tank schaden dem Klima

An jeder Tankstelle in Deutschland kann man E5, E10 oder B7 tanken. Hinter diesen kryptischen Abkürzungen verstecken sich pflanzenbasierte Kraftstoffe (häufig „Biokraftstoffe“ genannt). Seit über 15 Jahren bewirbt die Politik in Deutschland und Europa diese Kraftstoffe als angeblich nachhaltige Alternativen zu fossilem Sprit und fördert ihre Beimischung zu Diesel und Benzin. Die Wahrheit sieht allerdings anders aus: „Bio“ ist an diesen Kraftstoffen nichts, die DUH verwendet deshalb den neutralen Begriff „Agrokraftstoffe“.

Agrokraftstoff ist nichts Anderes als Essen im Tank: Agrodiesel wird typischerweise aus Raps-, Soja- oder Palmöl hergestellt; für Agroethanol, das fossilem Benzin beigemischt wird, kommen Weizen, Roggen, Mais und andere Getreidesorten sowie Zuckerrüben und Zuckerrohr zum Einsatz. Für den Anbau dieser Pflanzen sind rund um den Globus riesige Agrarflächen belegt: Allein für den in Deutschland getankten Agrosprit sind es insgesamt fast 1,9 Millionen Hektar – eine Fläche so groß wie das Bundesland Sachsen. Viele dieser Anbauflächen liegen im Ausland, etwa Sojaplantagen in Brasilien, Rapsfelder in Australien, Zuckerrohrplantagen in Peru.

Warum Agrosprit ein Irrweg ist

Aufgrund ihres gewaltigen Flächenverbrauchs stehen Agrokraftstoffe in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion (Tank vs. Teller): Die Lebensmittel, die wir in Europa in Verbrennungsmotoren verfeuern, fehlen andernorts auf den Tellern von Menschen. Mit den Anbauflächen, auf denen derzeit Agrosprit für den deutschen Markt produziert wird, könnte der Kalorienbedarf von bis zu 35 Millionen Menschen gedeckt werden. Allein die Menge an Weizen, die in Deutschland jeden Tag als Agrokraftstoff in Autotanks landet, reicht für 1,8 Millionen Brote. Dass wir so viel Essen an Autos verfüttern, trägt mit dazu bei, dass Lebensmittelpreise steigen und insbesondere in ärmeren Ländern des Globalen Südens Millionen Menschen von Hunger bedroht sind.

Weil riesige Anbauflächen für die Agrospritproduktion blockiert sind, müssen für die Nahrungsmittelproduktion neue Flächen erschlossen werden. Das bedeutet: Es wird Natur zerstört. Die einzigartigen Regenwälder in Südamerika und Südostasien müssen immer noch mehr Soja- und Palmölplantagen weichen. Aber auch in Deutschland und Europa verschärft die Agrospritproduktion den Flächendruck, für die Natur ist jetzt schon viel zu wenig Platz. Es ist zu befürchten, dass die Anbauflächen für den deutschen Agrospritverbrauch derzeit sogar noch massiv ausgeweitet werden.

Für das Klima ist der Flächenfraß durch Agrokraftstoffe eine Katastrophe: Natürliche Ökosysteme wie Wälder speichern große Mengen Kohlenstoff. Werden sie gerodet und in Ackerflächen umgewandelt, entweichen gewaltige Mengen klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre. Vollständige Klimabilanzen zeigen: Agrokraftstoffe verursachen auf diese Weise mehr Emissionen als sie einsparen. Das heißt: Sie sind unterm Strich noch klimaschädlicher als fossiles Diesel und Benzin. Das Umweltbundesamt stuft die staatliche Förderung für Agrokraftstoffe bereits seit 2008 als klimaschädliche Subvention ein.

Und dazu kommen noch die Schäden an Natur und Ökosystemen, die mit der zusätzlichen intensiven Landwirtschaft einhergehen. Die Rapsfelder, Getreideäcker und Sojaplantagen, auf denen die Pflanzen für den Agrosprit wachsen, sind große Monokulturen, die mit Pestiziden behandelt, massiv gedüngt und mit schweren Maschinen bearbeitet werden. Das belastet die Böden, das Wasser und befeuert das Artensterben.

Insgesamt ist die Herstellung von Agrokraftstoff extrem ineffizient und verschwenderisch – riesige Anbauflächen werden benötigt, um kleine Mengen Kraftstoff herzustellen. Zum Vergleich: Für die gleiche Kilometerleistung benötigt die Erzeugung von Solarstrom für ein elektrisches Fahrzeug 97 Prozent weniger Fläche als Agrokraftstoff.

Politik und Industrie betonen häufig, dass künftig statt eigens angebauter Pflanzen verstärkt sogenannte „biogene Rest- und Abfallstoffe“ für die Spritproduktion eingesetzt werden sollen. Sie verweisen auf Bioabfall, Stroh, Waldrestholz, altes Speiseöl oder die Überreste geschlachteter Tiere - meist euphemistisch „tierische Fette“ genannt. Aber von all diesen Stoffen gibt es nur sehr kleine Mengen, häufig werden sie bereits anderweitig genutzt (zum Beispiel in der Chemie- oder Kosmetikindustrie) oder es handelt sich gar nicht um Abfälle:

Waldrestholz beispielsweise - Baumstämme, Rinde, Zweige, Blätter, Nadeln etc. - ist wichtig für das Ökosystem Wald und muss dort verbleiben! Mit biogenen Rest- und Abfallstoffen können bestenfalls etwa 1 Prozent des Kraftstoffbedarfs im Verkehr abgedeckt werden. Das heißt: Es handelt sich um eine absolute Nischenlösung und keinesfalls eine skalierbare Klimaschutzoption.

Die Potenziale sind heute bereits ausgereizt bzw. überreizt: Das Altspeiseöl, das in Deutschland für biogenen Sprit eingesetzt wird, muss heute schon zu über 80 Prozent importiert werden, vorwiegend aus Asien. Gebrauchtes Speiseöl um den halben Globus zu schippern, um es dann hier als Sprit zu verbrennen, ist weder klimafreundlich noch nachhaltig. Es besteht zudem ein großes Risiko für Betrug und der starke Verdacht, dass in großen Mengen frisches Palmöl zu gebrauchtem Speiseöl umetikettiert wird.

Das Anpreisen von Scheinlösungen wie Agrosprit („pushing non-transformative solutions“) ist eine der bewährten Verzögerungstaktiken der Anti-Klimalobby. Die Verwendung von biogenen Kraftstoffen ist kein geeignetes Mittel, um von fossilem Öl unabhängiger zu werden. Obwohl die Beimischung zu fossilem Kraftstoff nur im einstelligen Prozentbereich liegt, übersteigt der Flächenverbrauch und Rohstoffbedarf schon jetzt die ökologischen Grenzen bei weitem. Der Einsatz biogener Kraftstoffe zementiert unsere Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen sogar noch, weil die vermeintlich klimafreundliche Spritalternative verwendet wird, um dem Verbrennungsmotor ein grünes Image zu geben – und so den dringend nötigen Ausstieg aus der Verbrennertechnologie zu verzögern.

Unsere Forderungen

Die Bundesregierung muss umgehend die staatliche Förderung für Agrokraftstoffe einstellen. Sie dürfen nicht länger als „erneuerbare Energie“ im Verkehr gewertet werden. Die Förderung für den Einsatz biogener Rest- und Abfallstoffe muss auf ein nachhaltig verträgliches Mindestmaß reduziert werden.

Statt Greenwashing mit „Biosprit“ brauchen wir eine grundlegende Mobilitätswende, indem Verkehr wo immer möglich vermieden bzw. auf klimafreundliche Verkehrsträger wie Fahrrad, ÖPNV und Bahn verlagert wird. Gleichzeitig müssen wir schnell auf elektrische Antriebe umsteigen.

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