Viele Großstadtbewohner sehnen sich nach mehr Grünflächen, mehr Bäumen, mehr Platz zum Spazieren und Radfahren - schlichtweg nach mehr Platz zum Leben. Diese Bedürfnisse werden von der Politik seit langem ignoriert.
Die Realität in Großstädten ist geprägt von schmutziger Atemluft, Dauerstaus, Parkplatzsuche, Lärm und kaum Platz für Zufußgehende und Radfahrende. Das sind die Folgen jahrzehntelanger automobilfreundlicher Politik.
Gleichzeitig wurde der öffentliche Personennahverkehr kaputtgespart. Was wir jetzt brauchen: Platz für Fahrradverkehr, Fußgänger und Fußgängerinnen, saubere Luft und einen zuverlässigen, günstigen, modernen und gut ausgebauten öffentlichen Verkehr mit Bus und Bahn. Allein ein Wechsel von Verbrenner- auf Elektroautos genügt nicht, um in Zukunft nachhaltig mobil sein zu können.
Dass die Verkehrswende gelingen kann, zeigt die Österreichs Hauptstadt Wien, wo ein Jahres-Abo für 365 Euro die Nutzung von Bus und Bahn attraktiv macht. Auch andere Städte zeigen, wie eine schnelle Verkehrswende aussehen kann. In Barcelona etwa gibt es die sogenannten „Superblocks“. Das sind mehrere benachbarte Wohnquartiere innerhalb derer Autos nur noch zu Gast sind. Nur Anwohner- und Lieferfahrzeuge dürfen hineinfahren, müssen sich aber den Platz mit den Fußgängern teilen und ihre Geschwindigkeit entsprechend anpassen. Paris hingegen schwingt sich mit über 50 zusätzlichen Kilometern Radweg innerhalb eines Jahres auf zur Fahrradstadt bis 2024, in der jede Straße so gestaltet sein wird, dass dort sicher Fahrrad gefahren werden kann. Dazu gehört in Paris auch, dass 72 Prozent der Parkplätze in Grünflächen und Spielplätze umgewandelt werden.
Mobil in der Stadt und auf dem Land
Nicht nur in der Stadt, auch auf dem Land muss die Mobilitätswende stattfinden. Ländliche Räume benötigen insbesondere einen attraktiven und besser ausgebauten ÖPNV mit attraktiven Anschluss- und Umsteigemöglichkeiten für andere Verkehrsträger wie Fahrräder oder E-Fahrzeuge, Radschnellverbindungen in die Stadtzentren und Sharingsystemen. Die notwendigen Maßnahmen für eine Verkehrswende in der Stadt und auf dem Land sind unterschiedlich, aber das Ziel ist das gleiche: Weg vom privaten Verbrenner und hin zu intelligenten, attraktiven und vernetzten Mobilitätssystemen.
Was muss die Politik jetzt tun?
Die Politik muss umsteuern – schnell und grundlegend! Die Politik muss aufhören, Verkehrspolitik aus Sichtweise des Autos zu betrachten, sondern muss den Menschen in den Blick nehmen. Dabei haben alle Menschen ein Recht auf Mobilität, nicht jedoch auf für Klima und Umwelt besonders problematische Auto-Mobilität. Wir müssen als Gesellschaft anerkennen, dass Bus, Bahn und Fahrrad die wichtigsten Mobilitätsmittel für die Zukunft sind und nicht mehr das Auto.
Die oberste Priorität sollte im Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehr liegen. In den Städten muss eine Infrastruktur geschaffen werden, die es ermöglicht, Wege unter 10 Kilometern problemlos und sicher mit dem Fahrrad zurückzulegen. Der motorisierte Individualverkehr muss deutlich ausgebremst und die Autos aus den Innenstädten weitgehend herausgehalten werden. Dazu müssen Autofahrende den wahren Preis für ihre Mobilität zahlen. Die Autos, die wir in unseren dicht bebauten Innenstädten weiterhin zulassen, müssen in naher Zukunft lokal emissionsfrei sein.
Kontakt
Robin Kulpa
Stellvertretender Bereichsleiter Verkehr und Luftreinhaltung
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