Verkehrslärm stoppen!
Viele Menschen leiden unter Straßenverkehrslärm - vor allem in den mit Autos verstopften Städten, aber auch im ländlichen Raum auf hochfrequentierten Durchgangsstraßen. Er nervt und macht krank. Das muss aber nicht sein! Denn es gibt eine Reihe wirksamer Maßnahmen gegen den Lärm – allen voran Geschwindigkeitsbegrenzungen, wie die Einführung von Tempo 30 innerorts und zusätzlich die deutliche Reduktion des Kfz-Verkehrs. Damit die gesundheitlichen Auswirkungen minimiert werden, brauchen wir gesetzlich bindende Grenzwerte für Straßenverkehrslärm entsprechend der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Lärmbelastung wirkt sich negativ auf die Lebensqualität der Menschen aus und ist eine Gefahr für die Gesundheit. Nach der Luftverschmutzung ist Lärm die zweitgrößte umweltbedingte Ursache für Gesundheitsprobleme. Unter den Lärmquellen ist nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) der Straßenverkehr– vor dem Flug- und Schienenverkehr – die mit Abstand dominanteste: Drei Viertel der Menschen in Deutschland werden durch Straßenverkehrslärm gestört oder gar belästigt. Hinzu kommt: Der Lärm, der vom Straßenverkehr ausgeht, ist besonders unangenehm für unsere Ohren. So werden Geräusche aus anderen Quellen, wie zum Beispiel aus Gesprächen oder der Natur – bei gleicher Lautstärke – als weitaus weniger störend wahrgenommen.
Eine erhöhte Lärmexposition macht physisch und psychisch krank. Schlafstörungen und einer Reihe von Krankheiten, wie zum Beispiel Bluthochdruck und Gefäßerkrankungen können die Folge sein. Auch das Risiko für Depressionen und Angststörungen kann durch Straßenverkehrslärm zunehmen. Verkehrslärm kostet nicht nur Menschenleben, sondern schluckt auch jährlich Steuergeld in Milliardenhöhe. Allein die Gesundheitskosten betrugen im Jahr 2016 laut UBA 1,77 Milliarden Euro.
In Deutschland sind rund 14 Millionen Menschen durch einen regelmäßigen Lärmpegel von mindestens 55 dB(A) aus dem Straßenverkehr belastet. Zur Einordnung: Die WHO spricht bereits ab einem Wert von 53 Dezibel (dB(A)) von einem ernsten Gesundheitsrisiko. Da diese Erhebung die besonders störenden Lärmspitzen nicht berücksichtigt, dürfte die Anzahl der belasteten Menschen noch deutlich höher liegen. Lärmspitzen sind einzelne extreme Lärmsituationen, die insbesondere von Motorrädern und „sportlichen“ Pkw verursacht werden. Außerdem wird das Straßen-Nebennetz nicht in die Erfassung der belasteten Gebiete einbezogen, obwohl es auch hier zu erheblicher Lärmbelastung kommen kann. So verursachen etwa Straßenschäden und Straßenbeläge wie Kopfstein- und Kleinsteinpflaster beim Befahren – selbst mit Tempo 30 – viel Lärm.
Schutz vor Lärm – was macht der Staat?
Lärmsanierung und Lärmvorsorge durch den Bund
Bislang wurde in Deutschland kein wirksamer Lärmschutz durchgesetzt. Rechtlich bindende Grenzwerte gibt es nur in der Lärmvorsorge, das heißt beim Neubau beziehungsweise bei wesentlichen Änderungen von Straßen. Doch selbst die hier anzusetzenden Grenzwerte entsprechen einem geringen Standard und liegen weit oberhalb der Empfehlungen der WHO. Für die sogenannte Lärmsanierung an vorhandenen Straßen kann der Bund auf freiwilliger Basis Lärmschutzmaßnahmen an stark lärmbelasteten Straßen in der Baulast des Bundes (Bundesautobahnen und Bundesstraßen) finanzieren. Das bedeutet, es gibt zwar Schwellenwerte, doch auch bei Überschreitungen haben die betroffenen Personen keinerlei Rechtsanspruch auf Lärmschutz. Bei der Lärmvorsorge und Lärmsanierung werden aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen unterschieden. Aktive Lärmschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Lärmschutzwälle und lärmmindernde Fahrbahnbeläge, wirken am Entstehungsort der Lärmemissionen – also an der Straße. Passive Lärmschutzmaßnahmen sind schalltechnische Verbesserungen an Gebäuden, zum Beispiel in Form von Lärmschutzfenstern oder Dämmungen. Sie kommen dann zum Einsatz, wenn aktive Maßnahmen nicht ausreichen oder möglich sind. Diese herkömmlichen Lärmschutzmaßnahmen sind teuer, weshalb Behörden oft die Umsetzung scheuen.
Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung
Die Kommunen, oder die nach Landesrecht zuständigen Behörden, sind auf Grundlage der EU-Umgebungslärmrichtlinie verpflichtet, die Belastung der Bevölkerung durch Umgebungslärm zu ermitteln und in Lärmkarten darzustellen. Auf dieser Basis werden dann Lärmaktionspläne mit konkreten Minderungsvorhaben erstellt. Die Lärmkartierung ist für Ballungsräume, Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen jeweils ab bestimmten Größenordnungen verpflichtend, bis zum Sommer 2022 muss die Aktualisierung der Kartierung abgeschlossen sein. Die Lärmaktionspläne stehen darauf aufbauend im Sommer 2024 an. Sie bergen großes Potential zur Verbesserung der Lärmsituation, das es zu nutzen gilt: Kommunen haben durch die Lärmaktionsplanung eine rechtssichere Möglichkeit, ein gutes Gesamtkonzept sowie weitreichende Tempo 30 Anordnungen umzusetzen. So wie sie jedoch derzeit ausgestaltet und umgesetzt wird, schöpft die EU Gesetzgebung bzw. die daraus abgeleiteten Instrumente ihr Potential für effektiven Lärmschutz bei Weitem nicht aus. Die DUH setzt sich deshalb mit ihrer Arbeit für den Schutz der Menschen vor Lärm ein und fordert: Dem wirksamen Lärmschutz muss in Politik und Verwaltung mehr Priorität eingeräumt werden. Dazu stehen zahlreiche Maßnahmen zur Verfügung, die zum Teil sofort und kostengünstig umsetzbar sind.
Was fordern wir?
Die WHO empfiehlt in ihren Leitlinien für Umgebungslärm, den durch Straßenverkehr bedingten Lärmpegel auf weniger als 53 dB(A) im Mittel beziehungsweise auf 45 dB(A) in der Nacht zu verringern. Zum Vergleich: Die in Deutschland geltenden Grenzwerte der Lärmvorsorge beim Neubau beziehungsweise der wesentlichen Änderung von Straßen im urbanen Raum liegen bei 64 dB(A) im Mittel und 54 dB(A) in der Nacht. Zur Einordnung: Eine Erhöhung des Pegels um 3 dB wird bereits als eine Verdoppelung der Lautstärke wahrgenommen. Im bestehenden Straßennetz sind die festgelegten Schwellenwerte für eine Lärmsanierung sogar noch höher und dazu nicht einmal rechtlich bindend. Daher fordern wir von der Bundesregierung verbindliche Grenzwerte, die sich an den WHO-Richtlinien orientieren und für alle Straßen gelten.
Bisher gibt es große graue Flecken auf den Lärmkarten, da das gesamte Nebenstraßennetz wie Wohngebiete nicht eingeschlossen wird, obwohl es hier vor allem auf Kopfsteinpflaster oft zu hoher Lärmbelastung kommt. Daher brauchen wir dringend eine Erweiterung der Kartierungspflicht auf alle potentiellen Lärmhotspots – unabhängig von der Klassifizierung der Straße. Die darauf aufbauenden Lärmaktionspläne müssen wirksame, verbindliche und zeitlich terminierte Maßnahmen enthalten, um die Lärmbelastung dauerhaft zu reduzieren. Hier ist auch der Bund in der Verantwortung, die nötigen finanziellen Mittel zur Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen bereitzustellen.
Schutz vor Verkehrslärm muss in erster Linie an der Quelle ansetzen, also bei Autos, Motorrädern und Schwerlastverkehr. Jedes Jahr steigt die Zahl der in Deutschland zugelassenen Autos um eine halbe Million an. Diese Entwicklung muss gestoppt und endlich umgekehrt werden: Wir brauchen mehr Platz für den leisen Verkehr – also für Rad- und Fußverkehr. Dieser Platz muss zu Lasten des Autoverkehrs und nicht durch Umwandlung von Parks und Grünflächen gewonnen werden. Auch die effizienten öffentlichen Verkehrsmittel Bus und Bahn müssen durch erhebliche Investitionen in das Netz und die Taktung sowie in bezahlbare Ticketangebote wie ein 365-Euro-Klimaticket gestärkt werden. Um die Zahl der Autos in unseren Städten zu halbieren, brauchen wir kurzfristig eine durchgängige Fahrrad-Infrastruktur mit breiten, sicheren und geschützten Fahrradwegen. Durch eine City-Maut und eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung zu angemessenen Preisen kann der Kfz-Verkehr auf ein notwendiges Maß reduziert werden, wodurch der Straßenverkehrslärm deutlich reduziert wird.
Die Einführung von Tempo 30 innerorts ist eine zentrale Stellschraube, um den Straßenverkehrslärm spürbar zu reduzieren – und noch dazu schnell und kostengünstig umsetzbar. Im Vergleich zu Tempo 50 führt Tempo 30 zu einer Lärmminderung um 2-3 dB(A). Dies wird wie eine Halbierung des Verkehrsaufkommens wahrgenommen. Daten aus Brüssel zeigen sogar, dass noch mehr drin sein kann: Nach Einführung von Tempo 30 konnte mancherorts ein Rückgang von bis zu 4,8 dB(A) erfasst werden. Damit alle Menschen von Tempo 30 profitieren, brauchen wir Tempo 30 als neue Regelgeschwindigkeit und nicht nur als mögliche Option für progressive Städte. Mit Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit dürfen nur in begründeten Ausnahmefällen höhere Geschwindigkeiten erlaubt werden. Auch aus vielen weiteren Gründen, wie der Verbesserung der Luftqualität und einer erhöhten Verkehrssicherheit, fordern wir von der Bundesregierung Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts. Da jedoch nicht absehbar ist, wie lange eine entsprechende Regeländerung auf Bundesebene auf sich warten lässt, ist es nötig, dass die Kommunen bereits heute alle vorhandenen Spielräume nutzen, um Tempo 30 einzuführen. Dies kann vor allem im Rahmen der Lärmaktionsplanung auch großräumig und strategisch umgesetzt werden, wie ein neues Rechtsgutachten der Kanzlei Geulen & Klinger beweist.
Wir brauchen weniger Autos auf unsere Straßen, denn das Lärmproblem wird sich nicht von alleine lösen, wenn Verbrenner-Autos durch Elektro-Autos getauscht werden. Elektro-Autos verbinden zwar viele Menschen mit leisem Verkehr, aber das ist ein Trugschluss. Denn der Lärm, der durch motorisierte Fahrzeuge entsteht, setzt sich in erster Linie aus dem Reifen-Fahrbahn-Geräusch und dem Antriebsgeräusch zusammen. Das Reifen-Fahrbahn-Geräusch entsteht durch das Rollen der Reifen auf der Straße und ist bei Verbrennern und E-Autos gleich laut. Ab einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h bestimmt das Reifen-Fahrbahn-Geräusch zunehmend die Lärmemission des Fahrzeugs und das Antriebsgeräusch tritt in den Hintergrund. Das bedeutet, dass E-Autos nur bei Geschwindigkeiten unter 30 km/h deutlich leiser als Verbrenner sind.
Anders sieht es bei Motorrädern und Mopeds aus. Hier führt die Elektrifizierung zu einer deutlichen Minderung der Geräuschemissionen – laut UBA um mindestens 20 dB(A). Grund dafür: Bei Motorrädern und Mopeds ist das Antriebsgeräusch unabhängig von der Geschwindigkeit stets die dominante Lärmquelle.
Auch bei Nutzfahrzeugen, die sich nur innerorts bewegen sowie häufig anfahren und abbremsen– wie ÖPNV-Busse und Müllsammelfahrzeuge – lohnt sich die Elektrifizierung. Bei schweren Nutzfahrzeugen ist das Antriebsgeräusch bis zu einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h dominant – das heißt im gesamten innerörtlichen Bereich.
Was kann ich selbst tun?
Als Bürger und Bürgerinnen haben Sie aktuell kaum Möglichkeiten eine ruhige Umgebung rechtlich einzufordern. Sie können sich jedoch dafür einsetzen, dass Tempo 30 als schnell umsetzbare und kostengünstige Maßnahme gegen den Lärm angeordnet wird. Dafür können Sie einen Antrag auf Tempo 30 bei den zuständigen Behörden stellen. Auf unserer Website können Sie sich einen individualisierbaren Musterantrag erstellen lassen: https://www.duh.de/tempo30-jetzt/
Da es keine verbindlichen Schallpegel gibt, sondern von den Behörden stets eine im Einzelfall zu ermittelnde Zumutbarkeitsschwelle betrachtet werden muss, dürfen Straßenverkehrsbehörden diese Anträge auf Tempo 30 aus Lärmschutzgründen nicht mit einem pauschalen Verweis auf Schallpegel ablehnen.
Darüber hinaus können Sie unübersehbar Farbe für Tempo 30 bekennen – und zwar mit einem entsprechenden Schild etwa an der eigenen Haustür, im Vorgarten oder am Gartenzaun. Beispielhaft dafür haben wir zwei Schilder entworfen, die Sie über unsere Website direkt zu sich nach Hause bestellen können: www.duh.de/unter30/schild-bestellen/
Weitere Informationen finden sie auf unserer Website: https://www.duh.de/unter30/
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Kontakt
Dorothee Saar
Bereichsleiterin Verkehr und Luftreinhaltung
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