Faire Preise in der Landwirtschaft
Der Wandel in der Tierhaltung und auf dem Acker hin zu mehr Umwelt- und Tierschutz ist überfällig! Und er braucht eine verlässliche Finanzierung. Doch in Deutschland herrscht Überproduktion bei Milch und Fleisch und die vier größten, übermächtigen Supermarktkonzerne kontrollieren über 85 Prozent des gesamten Lebensmittelmarktes. Damit können sie ganz einfach die Preise diktieren, die Bauern und Bäuerinnen für ihre Lebensmittelerzeugnisse erhalten. Wir setzen uns für einen neuen gesetzlichen Rahmen ein, der eine faire Verteilung der Wertschöpfung in der Lebensmittelkette sichert. Unser Ziel ist es, die Überproduktion an Fleisch und Milch zu stoppen und auskömmliche Erzeugerpreise für Betriebe mit tiergerechter Haltung durchzusetzen.
Derzeit erhalten kleine Landwirt*innen und Erzeuger*innen oft keine kostendeckenden Preise für Milch und Co., während Akteure mit großer Marktmacht – darunter Supermärkte, Molkereien und Schlachthofkonzerne – teils sehr hohe Gewinne einstreichen. Die Dominanz dieser Unternehmen schwächt die Verhandlungsposition der Erzeuger*innen. Seit Jahrzehnten versuchen Betriebe die Niedrigstpreise auszugleichen, indem sie immer mehr Milch, Schweinefleisch und Geflügel erzeugen, um fehlendes Einkommen zu erwirtschaften. Anders gesagt: Die niedrigen Erzeugerpreise befeuern die Massentierhaltung und bremsen Investitionen in Nachhaltigkeit auf den Höfen aus.
Wie ist die aktuelle Gesetzeslage?
Um die Einkommen und Erzeugerpreise gerechter und nachhaltiger zu gestalten, gibt es auf EU-Ebene seit 2019 Regeln gegen unfaire Handelspraktiken – die sogenannte „UTP-Richtlinie“. Sie wird in Deutschland seit 2021 durch das „Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz“ (AgrarOLkG) umgesetzt. Befragungen von Supermarkt-Lieferanten zeigen aber, dass unfaire Handelspraktiken nach wie vor an der Tagesordnung sind. Dazu zählen monatelang verzögerte Zahlungen oder kurzfristige Stornierungen von Bestellungen bei verderblicher Ware.
Spanien und Frankreich haben nach starken Bauernprotesten bereits Gesetze erlassen, die faire Preise für die Landwirt:innen ermöglichen sollen. Seitdem wird in Spanien die Entwicklung von Preisen staatlich beobachtet, unlautere Handelspraktiken können mit Geldbußen geahndet werden.
Woran arbeiten wir?
Wir setzen uns gemeinsam mit der Initiative Faire Preise dafür ein, dass das AgrarOLkG in Deutschland so reformiert wird, dass unfairen Praktiken endgültig ein Riegel vorgeschoben wird. Das heißt:
- Ein Gebot des Kaufs zu kostendeckenden Preisen
- In Verträgen müssen klare Vereinbarungen stehen für Menge, Preis, Laufzeit, Qualität und Zahlungsziel
- Eine Generalklausel im AgrarOLkG, um ein Ausweichen von einer unfairen Praktik auf eine andere zu verhindern, muss hinzugefügt werden
- Eine unabhängige Stelle entlang der Lebensmittelkette muss eingerichtet werden, um Preise und Margen beobachten und Fälle von unfairer Verteilung der Wertschöpfung sanktionieren zu können
- Die Regeln müssen für Erzeuger*innen und Lieferant*innen innerhalb und außerhalb Europas gelten
Häufig gestellte Fragen zum Thema
Faire Preise bedeuten, dass Bauern und Bäuerinnen für ihre Produkte mindestens das Geld erhalten, mit dem alle Produktionskosten gedeckt werden. Dabei sollten soziale und ökologische Standards bei der Produktion eingehalten und die Kosten dafür in die Preise eingerechnet werden. So sollten mindestens die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingehalten werden, z.B. darf es keine Kinderarbeit oder anderweitige Ausbeutung geben. In Deutschland ist die Auszahlung des Mindestlohns zu gewährleisten.
Der Preis, den Primärerzeuger*innen erhalten, muss auf den durchschnittlichen Produktionskosten für das landwirtschaftliche Erzeugnis basieren. Dies umfasst zum Beispiel die Kosten für Saatgut, Energie, Maschinen, Reparaturen, Lohnarbeit und vom Erzeuger selbst geleistete Arbeit. Darin sollte ein existenzsichernder Lohn als nicht verhandelbarer Bestandteil für abhängig Beschäftigte enthalten sein. Entscheidend ist, dass Lieferant*innen einen Rechtsanspruch auf Kostendeckung bekommen für höhere Standards, artgerechtere Tierhaltungsverfahren und ökologische Leistungen, wenn z.B. Supermärkte diese bestellen.
Das kann passieren. Doch unser Ziel ist es, möglichst viele Bauernhöfe zu erhalten, während die Zahl der Tiere reduziert werden soll. Dafür nehmen wir auch in Kauf, dass ein sehr kleiner Teil der Betriebe einige Cent mehr erhält als die Produktionskosten betragen.
Teils teils. Es gibt viele konventionelle Unternehmen, die behaupten, dass ihre Produkte sozial und ökologisch nachhaltig seien, obwohl dies nicht der Fall ist. Für einige Produkte ist der Erzeugerpreis seit Jahren so niedrig, dass z.B. das Versprechen „5 Cent mehr für den Bauern“ die tatsächlichen Kosten der Höfe immer noch nicht deckt. Dann ist der Erzeugerpreis zwar besser, aber immer noch nicht fair. Damit freiwillige Initiativen für faire Preise gut funktionieren, müssen alle Unternehmen bessere Preise zahlen.
Dafür gibt es vor allem zwei Gründe:
- Marktmacht: Der globale Agrar- und Lebensmittelhandel ist geprägt von extremem Machtungleichgewicht. Die Supermärkte konkurrieren um offensive Angebote mit niedrigen Preisen. Nur wenige multinationale Großkonzerne dominieren auch den Welthandel mit Agrarrohstoffen. Seit einigen großen Fusionen in den letzten Jahren kontrollieren etwa lediglich vier Großkonzerne mehr als 60 Prozent des globalen Marktes für Saatgut. Im Kaffeemarkt kontrollieren nur fünf Konzerne 50 Prozent des weltweiten Rohkaffeehandels und lediglich zehn Röstereien produzierten circa 35 Prozent des im Jahr 2019 weltweit gerösteten Kaffees. Diese großen Unternehmen können ihren Lieferanten, die abhängig von der Abnahme ihrer Produkte sind, häufig Vertrags- und Preiskonditionen diktieren. In einer Umfrage der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gaben 39 Prozent der befragten Zulieferer an, Aufträge unterhalb der Produktionskosten anzunehmen, da sie keine Absatzmöglichkeit zu besseren Preisen hätten.
- Überproduktion: In Deutschland wurden etwa 2021 ca. 32 Prozent mehr Schweinefleisch erzeugt als nachgefragt wurde. Die Überproduktion landete bisher im Export auf dem Weltmarkt, doch dort wird meistens ein zu niedriger Preis gezahlt – unterhalb der Kosten der bäuerlichen Betriebe in Deutschland und Europa. Überproduktion ermöglicht auch, dass Schlachthöfe und Molkereien den Erzeugerpreis nach unten drücken können.
Wenn Sie statt im Supermarkt zu kaufen immer häufiger Lebensmittel auf Wochenmärkten, in Hofläden oder von Betrieben der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) bestellen, unterstützten sie kleine Betriebe statt Konzerne. In Solawis tragen mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Eine weitere Möglichkeit, um faire Preise mitzugestalten ist das Kaufen von zertifizierten Produkten aus dem Fairen Handel. Im Internet finden sich auch in Ihrer Region Gemüsekisten-Anbieter mit einem Frischeangebot, mit dem Supermärkte oft nicht mithalten können. Besonders empfehlenswert sind Biogemüsekisten mit viel regionalen und saisonalen Produkten frisch und direkt vom Ökohof – ohne Zwischenhandel und ohne Konzernprofite.
Nicht automatisch. Der Verbraucherpreis hängt auch davon ab, wie hoch die jeweiligen Margen in den Lieferketten sind und ob Supermärkte und Unternehmen die höheren Kosten an Konsument*innen weitergeben. Mit Blick auf hohe Gewinne, die der Lebensmitteleinzelhandel und andere Unternehmen erwirtschaften, sollte politisch auf eine gerechtere Verteilung der Wertschöpfung entlang von Lieferketten hingewirkt werden, die zumindest nicht auf Kosten der geringverdienenden Verbraucher*innen geschieht. Die Bundesregierung muss also sicherstellen, dass die Regelsätze der Grundsicherung und der Mindestlohn im Falle von höheren Lebensmittelpreisen angehoben werden. Darüber hinaus sollte die Gemeinschaftsverpflegung mit (Bio-)Lebensmitteln und regionalen Produkten gefördert werden.
Weiterführende Links
Kontakt
Reinhild Benning
Senior Beraterin für Agrarpolitik
E-Mail: Mail schreiben