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Neue Verfassungsbeschwerde gegen das entkernte Klimaschutzgesetz

Am 26. April 2024 hat der Deutsche Bundestag der Entkernung des Klimaschutzgesetzes zugestimmt. Für uns ist klar: Das neue Klimaschutzgesetz entspricht nicht den eindeutigen Vorgaben der historischen Klimaentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2021 und ist verfassungswidrig! Wir haben deshalb erneut Verfassungsbeschwerde bei dem höchsten deutsche Gericht eingereicht- Wieder mit dabei sind 12 junge Menschen, die gemeinsam mit uns die Verfassungsbeschwerde eingereicht haben. Mit dabei sind wieder dieselben jungen Menschen, die bereits 2021 erfolgreich für die historische Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gekämpft haben und die auch jetzt nicht tatenlos dabei zusehen wollen, wie die Ampel-Regierung diesen grandiosen Erfolg zurückabwickelt.

Das Klimaschutzgesetz muss sicherstellen, dass Deutschland einen angemessenen Beitrag zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens leistet. Dafür müssen ausreichend ambitionierte Zielvorgaben gemacht werden. Durch die Regelungen des Klimaschutzgesetzes muss außerdem sichergestellt werden, dass diese Zielvorgaben auch tatsächlich erreicht werden.

Weder das eine noch das andere ist gewährleistet. Das abgeschwächte Klimaschutzgesetz wird darüber hinaus nicht mehr den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht, die es in seinem Klimabeschluss 2021 formuliert hatte. Die Beschwerdeführer*innen und wir wenden uns deshalb erneut an das Bundesverfassungsgericht, damit es überprüft, ob ihre Grundrechte durch das entkernte Klimaschutzgesetz verletzt werden. Sie streben eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an, die die Bundesregierung dazu verpflichtet, die Aufweichung des Klimaschutzgesetzes rückgängig zu machen und das Gesetz an entscheidenden Stellen zu verbessern.

Mehrere Regelungen des entkernten Klimaschutzgesetzes verstoßen gegen verfassungsrechtliche Vorgaben. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem historischen Klimabeschluss von 2021 konkrete Vorgaben gemacht, wie das Klimaschutzgebot des Grundgesetzes umzusetzen ist. Dazu gehört, dass der Gesetzgeber dem Klimawandel frühzeitig entgegenwirken muss und rechtzeitig schlüssige Konzepte zur Erreichung der Treibhausgasneutralität entwickeln muss. Durch das entkernte Klimaschutzgesetz werden große Teile von notwendigen Treibhausgaseinsparungen jedoch einfach in die Zukunft verschoben. Auf Grundlage des neuen Klimaschutzgesetzes muss es beispielsweise in dieser Legislaturperiode faktisch überhaupt keine zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen geben. Gegen die Klimaschutz-Prokrastination wenden wir uns mit der Verfassungsbeschwerde. Wir haben unsere Argumente in einem anderen Papier nochmal detailliert dargestellt.

Die DUH hat die Klage initiiert, unterstützt sie inhaltlich und finanziert sie. Das heißt auch, sie bereitet mit ihrer Expertise den fachlichen Hintergrund der Klagen auf. Anders als 2021 ist die Deutsche Umwelthilfe dieses Mal auch als Verband selbst Beschwerdeführerin der Verfassungsbeschwerde. Die DUH unterstützt und führt zudem weitere Klimaklagen auf Länderebene, gegen Unternehmen und gegen die Bundesregierung.

Das lässt sich nicht genau sagen. Bei der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde 2021 lagen knapp eineinhalb Jahre zwischen Einreichung und Entscheidung.

Unsere erste erfolgreiche Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zeigt: Wir können den Staat zu mehr Klimaschutz bewegen! Dafür brauchen wir und die Kläger:innen Ihre Unterstützung. Denn die Erstellung der Klagen, der juristischen Gutachten und die lange Verfahrensdauer kosten viel Geld.

Bitte helfen Sie uns und unterstützen Sie die Klage mit einer Spende, Fördermitgliedschaft oder als Klimaklagen-Pat*in!

Wir fordern: Ambitioniertere Ziele und zuverlässige Umsetzung!

Unseren Klimaklagen gegen die Bundesregierung liegen zwei simple Feststellungen zu Grunde: 1. Die deutschen Klimaziele sind nicht ambitioniert und das Klimaschutzgesetz ist nicht konsequent genug, um die völkerrechtlich verbindlichen Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten. 2. Die bisher getroffenen und geplanten Maßnahmen sind nicht einmal ausreichend, um diese zu wenig ambitionierten Klimaziele zu erreichen.

Um die Ambitionslücke und die Umsetzungs- bzw. Maßnahmenlücke zu schließen gehen wir mit mehreren Klagen und Beschwerden gegen die Bundesregierung vor. So setzen wir endlich ausreichend Klimaschutz durch!

Die Verfehlung der Vorgaben des Klimaschutzgesetzes bezeichnet man als Umsetzungslücke. Das bedeutet, dass die Maßnahmen, die nötig wären, um die gesetzten Ambitionen – im Fall des Klimaschutzgesetzes eine Minderung der CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent – bislang nicht beschlossen, geschweige denn umgesetzt wurden.

Gleichzeitig sind die Ziele des Klimaschutzgesetzes nicht ambitioniert genug. Dies ist die Ambitionslücke. Laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen ist das CO2-Restbudget, dass Deutschland zur Verfügung steht, um die Erderhitzung mit 67-prozentiger Wahrscheinlichkeit auf 1,5°C zu begrenzen, seit dem Jahr 2024 aufgebraucht. Auch das CO2-Budget für eine wahrscheinliche Einhaltung der 1,75-Grad-Grenze wird bereits Anfang 2035, also zehn Jahre vor Erreichen des Ziels zur Treibhausgasneutralität, aufgebraucht sein. Das Klimaschutzgesetz erlaubt also zu hohe CO2-Emissionen und ist vor dem Hintergrund der 1,5°C-Grenze nicht ambitioniert genug. Umso erschreckender ist es, dass selbst diese unzureichenden Zielvorgaben im Verkehrs-, Gebäude-, Energiewirtschafts- und Industriesektor sowie im Sektor Abfallwirtschaft und Sonstiges nicht erreicht werden (siehe unten zu unserer erfolgreichen sektorübergreifenden Klage vor dem OVG Berlin-Brandenburg).

Wir klagen für die zielstrebige Umsetzung der Vorgaben aus dem Klimaschutzgesetz

Mit der Entkernung des Klimaschutzgesetzes will die Bundesregierung Urteilen, die wir am OVG Berlin-Brandenburg erstritten haben, aus dem Weg gehen. In den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung nämlich die Bestimmungen des Klimaschutzgesetzes schlicht und einfach ignoriert. Obwohl die Ziele des Klimaschutzgesetzes nach wie vor nicht ausreichen, um die Einhaltung der 1,5°C-Grenze zu garantieren, hat sich die Bundesregierung geweigert, die notwendigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um zumindest diese – zu weichen – Ziele einzuhalten.

Der von der Bundesregierung aufgestellte Expertenrat für Klimafragen hatte mehrmals festgestellt, dass mit den derzeitigen Einsparungen und Maßnahmen die Klimaziele bis 2030 verfehlt werden.

„Das Gutachten des Expertenrats belegt eindrucksvoll das Komplettversagen der Ampel-Regierung im Klimaschutz. Dabei untersucht der Expertenrat nicht einmal, ob die Maßnahmen ausreichen, die Erderwärmung tatsächlich auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Mit unseren Klimaklagen werden wir die Bundesregierung zur Einhaltung ihrer eigenen Gesetze zwingen,“ so die DUH-Bundesgeschäftsführung.

Bereits 2020 hatten wir erkannt, dass Ziele ohne konsequente Maßnahmenprogramme nicht viel wert sind und dass die Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaziele bei weitem nicht ausreichen. Deshalb haben wir vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine Klage gegen die Bundesregierung eingereicht, in der wir fordern, dass ein Maßnahmenprogramm aufgestellt wird, dass sicherstellt, dass die Minderungsziele des Klimaschutzgesetzes erreicht werden. Diese Klage zielte zunächst auf den Verkehrssektor ab. 2021 wurde diese Klage um die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft erweitert. 2022 haben wir eine weitere Klage für den Sektor der Landnutzung und Forstwirtschaft eingereicht, die das gleiche Ziel verfolgt. Beide Klagen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Mai 2024 recht gegeben nd die Bundesregierung verurteilt das Klimaschutzprogramm um zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen zu ergänzen, damit sichergestellt ist, dass die Klimaziele tatsächlich erreicht werden. Im September 2024 folgte der Durchbruch: Das federführende Umweltministerium für die Klage für den Landnutzungssektor verzichtete auf eine Revision. Damit erreichten wir die erste rechtskräftige Verurteilung der Bundesregierung zu sofortigen Klimaschutzmaßnahmen! Gegen das zweite Urteil zur sektorenübergreifenden Klage wurde jedoch Revision eingelegt, weshalb wir die Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht in zweiter Instanz fortführen. Wir erwarten eine Gerichtsentscheidung zu unserer zweiten Klage noch vor der Bundestagswahl im September 2025.

Unser Erfolg: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verurteilt die Bundesregierung

Unsere Warnung, dass die beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung nicht ausreichen, um die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes einzuhalten, waren leider berechtigt. Im Verkehr- und im Gebäudesektor wurden die letzten zwei bzw. vier Jahre die im Klimaschutzgesetz erlaubten CO2-Höchstmengen deutlich überschritten. Paragraph 8 des Klimaschutzgesetzes schrieb – vor seiner Abschaffung im Zuge der Entkernung des KSG – vor, dass in so einem Fall durch das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm vorgelegt werden muss, „das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt.“ Für beide Sektoren wurden nur unzureichende Sofortprogramme vorgelegt. Wir hatten deswegen Klagen vor dem OVG Berlin-Brandenburg eingereicht und gefordert, dass die Bundesregierung wirksame Sofortprogramme aufstellt, die die Vorgabe des Klimaschutzgesetzes erfüllen und durch geeignete Maßnahmenpakete die Einhaltung der Jahresemissionsmengen für die folgenden Jahre sicherstellen!

In einem bahnbrechenden Urteil hat uns das Oberverwaltungsgericht im November 2023 recht gegeben und die Bundesregierung zu mehr Klimaschutz verurteilt. In dem knapp 50-seitigen Urteil wird der Bundesregierung eine Lehrstunde in Sachen Klimaschutz und Rechtstaatlichkeit erteilt. Gegen diese wegweisenden Klimaschutzurteile hat die Bundesregierung im März 2024 Revision eingelegt, was bedeutet, dass das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgeführt wird.

  • Tempolimit 100/80/30: CO2-Einsparpotential bis zu 9,2 Millionen Tonnen pro Jahr
  • Abbau klimaschädlicher Subventionen, darunter die Abschaffung des Dieselprivilegs, das Ende der pauschalen Besteuerung der Privatnutzung von Dienstwagen mit 0,5/1 Prozent und die Abschaffung der Entfernungspauschale: CO2-Einsparpotential bis zu 9,6 Millionen Tonnen pro Jahr. Zusätzliche CO2-Einsparung bringt die Begrenzung der Abzugsfähigkeit bei Dienstwagen auf Fahrzeuge mit maximal 95 g CO2/km
  • Einführung einer CO2-basierten Neuzulassungssteuer zum Beispiel im Rahmen eines Bonus-Malus-Systems beim Pkw-Kauf: CO2-Einsparpotential bis zu 2,8 Millionen Tonnen pro Jahr
  • Bundesweit gültiges 365-Euro-Klimaticket sowie der zügige Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Schiene: CO2-Einsparpotential bis zu 7,2 Millionen Tonnen pro Jahr
  • Fahrleistungsabhängige Pkw-Maut: Bis 2030 in jedem Jahr des Bestehens ein ein- bis zweistelliges Millionen Tonnen CO2-Einsparpotential, im Jahr 2030 bis zu 25,6 Millionen Tonnen CO2-Einsparpotential
  • Moratorium des Neu- und Ausbaus des Straßennetzes des Bundes: CO2-Einsparpotential bis 2030 insgesamt 20,9 Millionen Tonnen
  • Anpassung von Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung, so dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung gleichrangig berücksichtigt werden: CO2-Einsparpotential in Städten im Jahr 2030 bis zu 4,9 Millionen Tonnen

Klimaklage am EGMR für ein ambitionierteres Klimaschutzgesetz

Derzeit kämpft die DUH auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) für ein ambitionierteres Klimaschutzgesetz. Nach dem bahnbrechenden Klima-Beschluss des BVerfG im Jahr 2021 musste die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz (KSG) nachschärfen. Auch die kurz nach dem Urteil erfolgte Aktualisierung des KSG reichte nicht aus, um das für Deutschland nach dem IPCC verbleibende CO2-Budget und damit die Pariser Klimaziele einzuhalten. Gemeinsam mit der Gruppe junger Beschwerdeführer*innen des BVerfG Klima-Beschluss von 2021 hatte die DUH daher erneut Verfassungsbeschwerde vorm BVerfG eingelegt – welche jedoch 2022 nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Daraufhin haben wir uns an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gewandt. Eine Entscheidung steht noch aus. Der EGMR hat jüngst gezeigt, dass er die Staaten nicht aus der Verantwortung entlässt, wenn es um Klimaschutz als Menschenrecht geht: Im April 2024 hatte der EGMR zu Gunsten der Gruppierung der „Klimaseniorinnen“ die Schweiz dazu verurteilt, ihre Klimaschutzanstrengungen konsequent an dem Ziel des Pariser Klimaabkommens auszurichten.

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