Die dreckige Lüge vom sauberen Gas
Erdgas gilt als wichtige Brückentechnologie für die Energiewende und wird oft als grüne Alternative für den Strom- und Wärmesektor gepriesen. Zwar ist es CO2-ärmer als Kohle, verursacht dafür jedoch hohe Emissionen von klimaschädlichem Methan, das 83-mal stärker in der Atmosphäre wirkt als CO2 und so erheblich zur Erderhitzung beiträgt. Damit ist Erdgas wie Kohle, nur unsichtbar. Diese unsichtbare Gefahr fürs Klima hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gemeinsam mit der Clean Air Taskforce (CATF) dank neuster Technologie nun sichtbar gemacht, mit schockierenden Ergebnissen.
Durch die starke Treibhauswirkung von Methan kann es dafür sorgen, dass Erdgas ähnlich klimaschädlich ist wie Kohle, sobald ein gewisser Teil des Gases als sogenannte Leckage entweicht. Das geschieht überall entlang der Lieferkette – von Gewinnung über Transport und Verarbeitung bis zum Verbrauch. Die Leckagen treten bspw. an Absperrarmaturen oder an Transportventilatoren auf. Neben diesen diffusen Quellen entstehen Methan-Emissionen auch durch beabsichtigtes (Druck-)Ablassen oder durch unvollständiges Abfackeln von Erdgas.
Die Reduzierung solcher Methan-Leckagen ist deshalb ein wichtiges und dringend notwendiges klimapolitisches Anliegen, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Aus diesem Grund arbeitet die Europäische Union an der Umsetzung ihrer Methanstrategie. Die Industrie setzt sich hingegen dafür ein, dass klimaschützende Maßnahmen der Unternehmen auf Freiwilligkeit beruhen. Gemein ist allen Bestrebungen, dass sie bislang den Fokus auf Emissionen in der Vorkette außerhalb Deutschlands legen. So wichtig diese Vorketten-Emissionen in Drittländern sind: Etwaige Methan-Emissionen innerhalb Deutschlands werden hingegen oft als vernachlässigbar angesehen. Doch das ist falsch.
CATF und DUH decken Methanleckagen in Deutschland auf
Neueste Aufnahmen der Erdgas-Infrastruktur in Deutschland, die von der CATF in Zusammenarbeit mit der DUH ab Ende 2020 entstanden sind, zeigen nun: Auch in Deutschland selbst sind signifikante Methan-Emissionen bei verschiedenen Anlagen der Erdgas-Industrie sichtbar. Die Aufnahmen enthüllen, dass die Erdgas-Infrastruktur in Deutschland – entgegen der Beteuerungen der Wirtschaft – für erhebliche Methan-Emissionen verantwortlich ist.
Für die Aufnahmen benutzen CATF und die DUH eine Optical Gas Imaging (OGI)-Kamera. Sie ermöglicht die Visualisierung und Identifikation von Emissionen, Lecks und weiteren Vorgängen, die im Betrieb an Anlagen der Öl- und Gasanlagen auftreten können – sei es während des Normalbetriebs oder aufgrund von fehlerhafter Ausrüstung, Unfällen oder beabsichtigter Emittierung von Methan durch den Betreiber der Anlage. Bisher wurden an insgesamt 15 Standorten in ganz Deutschland Methan-Emissionen dokumentiert. Die bisherigen Aufnahmen wurden größtenteils auf zwei separaten Touren im Februar 2021 und April 2021 angefertigt.
Beispielhaft sind in folgendem Video die Leckagen einer Verdichterstation in Brandenburg erkennbar. Die Aufnahmen stammen von April 2021:
Manche Lecks bestehen seit Monaten
Die beobachteten Lecks sind dabei keineswegs ausschließlich Momentaufnahmen. Durch mehrmalige Besuche einiger Standorte wurde festgestellt: Manche Lecks existieren bereits seit Monaten. Die DUH hat die zuständigen Behörden über die bestehenden Lecks informiert, um deren Beseitigung schnellstmöglich zu veranlassen. Zudem kontaktiert die DUH Betreiber von Erdgas-Infrastruktur in Deutschland. Dadurch konnten bereits einige Lecks geschlossen werden, nachdem sie monatelang Emissionen verursacht hatten. Auch erreichte die DUH, dass einige Betreiber ihre Prüfzyklen aufgrund der Untersuchungen anpassen und zukünftig regelmäßiger nach Lecks suchen möchten. Es zeigte sich aber auch: Die Betreiber der Infrastruktur wissen teils nur unzureichend über vorhandene Leckagen Bescheid und/oder unternehmen zu wenig, um diese zu beseitigen. Die Konsequenz ist, dass derartige Lecks nicht an die Behörden gemeldet und auch nicht im nationalen Inventar aufgenommen werden.
Politik muss handeln
Gerade im Umfeld der derzeitigen Implementierung von Maßnahmen zur Regulierung von Methan auf EU-Ebene zeigt diese Untersuchung: Nicht nur in der Vorkette, auch im Betriebsbereich von Unternehmen hierzulande entstehen erhebliche Emissionen von Methan, die bisher nicht ausreichend beachtet wurden. Die Branche muss sich diesen Aufnahmen stellen und Verantwortung übernehmen, wenn sie einen glaubhaften Beitrag zum Klimaschutz leisten möchte. Aufgabe der deutschen und europäischen Politik ist es gleichzeitig, Lösungsansätze zu finden, um diese Emissionen zu beseitigen und ordnungsrechtliche Vorgaben zu machen.
Für die Zukunft: Erneuerbare Energien
Die politischen Entscheidungstragenden haben das Ausmaß des Problems rund um die Methan-Emissionen in weiten Teilen noch nicht verstanden. Große Investitionen dürfen demnach nicht länger in die Finanzierung fossiler Infrastruktur fließen. Die DUH fordert deshalb, eine nachhaltige und klimaverträgliche Energieerzeugung, die auf erneuerbaren Quellen wie Wind- und Solarenergie beruht – deren Ausbau muss massiv vorangetrieben werden.
Gleichzeitig ist eine Reduktion klimaschädlicher Methan-Emissionen um 70 % bis 2025 (Methane Tracker 2021, IEA, Paris) möglich – und auch zwingend nötig. Analysen zeigen, dass eine weltweite, starke Reduktion von Methan-Emissionen die globale Erderhitzung um bis zu 0,3 Grad reduzieren könnte – wenn auch die Emissionen aus anderen Sektoren wie der Landwirtschaft mit einbezogen werden. Diese historische Chance muss unbedingt ergriffen werden. Für weitere Details und Informationen folgen Sie der Kampagne „Cut European Methane Emissions now“ unter www.cutmethane.eu.
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Julian Schwartzkopff
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