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Wir setzen uns ein für eine Landwirtschaft, die ohne massiven Chemieeinsatz wertvolle Lebensmittel produziert. Die Abhängigkeit der konventionellen Landwirtschaft von Pestiziden muss ein Ende haben. Dieser Wandel erfordert nicht weniger als den Umbau unseres Ernährungssystems.

Pestizide – in der Landwirtschaft meist Pflanzenschutzmittel genannt – wirken auf verschiedenste Weisen – aber immer mit einem Ziel: Sie sollen verhindern, dass Pilze, Insekten oder Milben überhandnehmen und die Ernte schädigen. Auf der einen Seite sorgen sie so für optisch makellose Lebensmittel, auf der anderen Seite dezimieren sie aber nachweislich die Artenvielfalt in der Kulturlandschaft und verteilen sich über Luft und Wasser in viele Lebensräume. Spuren von Pestiziden sind mittlerweile fast überall zu finden: In der Landschaft, in unserem Essen und in unseren Körpern.

Die deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Preise für Lebensmittel sind sehr niedrig, auch weil die Verwendung von Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft für reiche Ernten sorgt. Dennoch sinkt in der Bevölkerung die Akzeptanz für die massenhafte Verwendung von Pestiziden. Besonders bekannt ist der „Unkrautvernichter“ Glyphosat, der alle nicht gewünschten Pflanzen auf dem Acker abtötet und damit vielen Kleinstlebewesen die Nahrungsgrundlage entzieht. Obwohl auch in der Bio-Landwirtschaft einige nicht synthetische Spritzmittel erlaubt sind, ist der Einsatz insgesamt weit geringer.

Pestizide und Artensterben

© Dusko / Fotolia

Besonders die Artengruppe der Insekten ist in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. Rückgänge von mehr als 75% bei den Fluginsekten konnten verzeichnet werden. Das Fehlen der Insekten wirkt sich indirekt über die Nahrungskette auch auf andere Lebewesen aus, denn Insekten sind wichtige Nahrung für Vögel und Säugetiere. Verschiedene Studien stellen deshalb einen indirekten Zusammenhang zwischen der Pestizidverwendung in der Umwelt und z.B. schwindenden Vogelzahlen fest.

Die Landwirtschaft besitzt mit 51,6 Prozent den größten Flächenanteil in Deutschland und ist zunehmend industriell geprägt. Große, leichter zu bewirtschaftende Monokulturen prägen das Bild. Feldraine mit Wildkräutern und Hecken in der Flur sind oft schon vor Jahren der sogenannten Flurbereinigung zum Opfer gefallen. Der Verlust von Brachen, Grünland und der oft übermäßige Einsatz von Düngern und Pestiziden haben einen erheblichen negativen Einfluss auf die biologische Vielfalt auf den Wiesen und Äckern Mitteleuropas.

Deshalb fordert die Deutsche Umwelthilfe:

  • Ausbau des Ökolandbaus auf mind. 30 Prozent bis 2030 als wichtigstes Instrument für eine weniger von Pestiziden abhängige Landwirtschaft.
  • Ökologisierung des konventionellen Landbaus: Es braucht eine Annäherung der beiden Produktionssysteme („öko“ und konventionell), um flächendeckend naturverträglich zu wirtschaften. Dafür müssen Umweltgesetzgebungen sukzessive nachgeschärft werden.
  • Umsetzung und Kontrolle der guten fachlichen Praxis unter Beachtung der EU-RL zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden (RL 2009/128) sowie Sanktionen bei Nichteinhaltung.
  • Erstellung eines Nationalen Pestizidreduktionsprogramms, welches u. a. ein Verbot des Pestizideinsatzes in Schutzgebieten, ein sofortiges Verbot von Glyphosat sowie ein Verbot von besonders insektenschädlicher Pestizide beinhaltet.

Pestizide wirken nicht nur auf die Schad- oder Zielorganismen, sondern nehmen häufig auch Einfluss auf Nicht-Zielarten, wie z.B. Schwächung oder Tötung der Nützlinge, den Fressfeinden der Schädlinge. Infolgedessen kommt es zu einer schnellen Wiederbesiedlung mit Schädlingen, was eine erneute Pestizidbehandlung nötig macht. Ein tödlicher Kreislauf, der die Menge der eingesetzten Pestizide in die Höhe treibt. Weitere Probleme: Viele dieser chemisch-synthetischen Wirkstoffe werden nur sehr schlecht in der Umwelt abgebaut, reichern sich in Organismen und damit in der Nahrungskette an und sind giftig für Organismen. Sie werden nicht oder nur sehr langsam abgebaut und können somit über sehr lange Zeiträume in Gewässern, Böden, aber auch in der Nahrungskette verbleiben. Auf diese Weise zerstören wir nicht nur unsere Lebensgrundlagen, sondern gefährden auch unsere Gesundheit.

Pflanzenschutzmittel beeinträchtigen die Biodiversität und die Ökosystemleistungen. „Für die Biodiversität sind sowohl direkte Wirkungen relevant und wie auch indirekte, etwa über eine Reduktion des Nahrungsangebotes oder die Veränderung von Nahrungsnetzen. Beeinträchtigt werden deshalb nicht nur einzelne Individuen von Nicht-Zielorganismen, sondern ganze Populationen. Dies kann zum lokalen und regionalen Verschwinden von Arten führen. Ebenso können durch den Einsatz von Pestiziden auch Lebensgemeinschaften, Lebensräume und Ökosystemleistungen wie z. B. die Bestäubung oder Wasserqualität negativ beeinflusst werden. Pestizide stellen damit eine Gefahr für die Biodiversität dar.“ (Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (scnat), 2021, Faktenblatt: Pestizide: Auswirkungen auf Umwelt, Biodiversita?t und O?kosystemleistungen). Gravierende Folge ist z.B. der alarmierende Artenschwund sowohl zahlreicher Kulturbiotope, wie z.B. Grünland und Saumgesellschaften sowie in der Insektenwelt.

Wirkstoffe für Pflanzenschutzmittel müssen in der Europäischen Union genehmigt werden. Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen werden national zugelassen. Zulassungsstelle in Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Das Umweltbundesamt nimmt die Umweltrisikobewertung vor. Die Betrachtung der Wirkungen von Einzelwirkstoffen wird der Komplexität der oben genannten Wechselwirkungen und möglichen Kettenreaktionen in den Lebensgemeinschaften und Ökosystemen nicht annähernd gerecht. Die Festlegung der Grenzwerte beruht auf einer nicht-systemischen Betrachtungsweise.

Neonicotinoide sind eine Gruppe von hochwirksamen Pestiziden aus der Untergruppe der Insektizide. Sie alle sind synthetisch hergestellte Wirkstoffe, die als Blattbehandlung, als Beizmittel und zur Bodenbehandlung eingesetzt werden, um den Befall von Nutzpflanzen durch Schädlinge zu verhindern. Bei Aufnahme wirken sie als Nervengift, binden sich an die Rezeptoren der Nervenzellen und stören hier die Weiterleitung von Nervenreizen. Ihr Einsatz soll vor allem den hohen Ertrag an landwirtschaftlichen Produkten sichern, ihre Nebenwirkungen stellen sich aktuell jedoch als fatal heraus. Denn die Wirkstoffe der Neonicotinoide haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, sind hochkonzentriert und wirken so bereits in kleinsten Mengen. Sie durchdringen die ganze Pflanze bis in die Blüten und Pollen. Hier werden sie insbesondere von Bestäuber-Insekten aufgenommen, schädigen als Nervengift den Geruchs- und Orientierungssinn der Tiere oder führen zu eingeschränkter Nahrungsaufnahme. Sie haben zusätzlich eine weitere schädigende Eigenschaft: sie sind wasserlöslich. Das führt dazu, dass die Gifte auch in den Boden gespült werden. Hier bauen sie sich mit einer Verweildauer von bis zu drei Jahren wesentlich langsamer ab als bisher angenommen und gelangen so unkontrolliert in Nachbar-Ökosysteme. Auf diese Weise kann auch ein Blütenparadies jenseits der Felder zur Todesfalle werden. Betroffen sind u.a. Gewässer, Ackerrandstreifen und Naturschutzgebiete. Hier schaden sie direkt auch zahlreichen höher entwickelten Arten, darunter Fische und Säugetiere.

Bei dem im Juni 2021 verabschiedeten Insektenschutzgesetz handelt es sich um ein Gesetzespaket mit Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes und der Pflanzenschutzanwendungsverordnung. Die Verabschiedung des Pakets ist ein wichtiger Schritt für mehr Insektenschutz, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ergebnis vor allem beim Pestizidverbot in Schutzgebieten deutlich hinter den Vereinbarungen des Aktionsprogramms Insektenschutz der Bundesregierung zurückgeblieben ist. Im Bundesnaturschutzgesetz wurden unter anderem Grünlandflächen und Streuobstwiesen in die Liste der geschützten Biotope sowie Regelungen für eine insektenfreundlichere Beleuchtung aufgenommen. Regelungen für die Landwirtschaft in Form von Einschränkungen bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, z.B. in Schutzgebieten werden in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung getroffen. Ein Erschwernisausgleich für betroffene Landwirte ist vorgesehen. Ein Schritt in die Richtung Insektenschutz, der allerdings bei Weitem nicht ausreicht – unter anderem wegen zahlreichen Ausnahmeregelungen und Länderöffnungsklauseln. 

Im Rahmen verschiedener Volksbegehren für Artenvielfalt wurden in verschiedenen Bundesländern länderspezifische Regelungen getroffen. Beispiele sind eine Pestizid-Reduktion von 40-50% bis 2030 in Baden-Württemberg, Verbote von Totalherbiziden wie Glyphosat im Rahmen des Niedersächsischen Wegs und verschieden Förderanreize.

In der EU regelt die "Verordnung 1107/2009 des Europäischen Parlamentes und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates" vom 21.10.2009 den Pestizideinsatz. Mit der From Farm to Fork- Strategie von Mai 2020 will die EU die europäische Nahrungsmittelproduktion vom Acker bis auf den Teller nachhaltiger gestalten. Bis 2030 soll unter anderem der Einsatz chemisch synthetischer Pestizide um 50 Prozent reduziert werden. Ebenfalls bis 2030 wird ein Ausbau des Ökolandbaus auf 25 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche angestrebt. Auch die Handlungsanweisung an alle Mitgliederstaaten, bis 2012 Nationale Aktionspläne vorzulegen, um die Risiken durch den Einsatz von Pestiziden in der EU zu reduzieren, kam von der EU.

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