Regenwaldschutz muss eine entscheidende Rolle im Kampf gegen neue Infektionskrankheiten spielen
Pandemien sind zumindest teilweise ein menschengemachtes Phänomen. Begünstigt durch die verbreitete Jagd nach Wildtieren und eine anhaltende Zerstörung unberührter Ökosysteme – besonders der tropischen Regenwälder – konnten und können neuartige Infektionskrankheiten den Menschen erreichen. Wildtiere spielen dabei eine besondere Rolle. In ihnen schlummert ein Reservoir an weitgehend unbekannten Krankheitserregern, die ihnen selbst nicht schaden.
Regenwälder und Wildtiere zu schützen, bedeutet auch Prävention vor neuen Pandemien
Durch direkte Verfolgung – etwa die Jagd auf Schuppentiere oder Affen und den Handel mit ihnen –, aber auch aufgrund des zunehmenden Verlusts natürlicher Lebensräume und dadurch größere Nähe zu menschlichen Siedlungen geraten Wildtiere wie Fledermäuse und Nagetiere, die Träger von Viren oder Bakterien sein können, stärker in Kontakt mit den Menschen. Beispielsweise über die Luft, das Wasser, Oberflächen oder den Verzehr von Fleisch kommen die Erreger mit dem menschlichen Körper in Kontakt. Durch zufällige Veränderungen des genetischen Erbguts erlangen die Viren dann neue „Fertigkeiten“, die ihnen helfen, auch menschliche Zellen attackieren zu können. Je nachdem wie sich das Virus weiter verändert, kann es gefährlich für den Menschen werden. Zudem führen frisch gerodete Waldflächen durch vermehrt auftretende Wasserpfützen zu optimalen Wachstumsbedingungen für Malaria-übertragende Mückenarten.
Zur Prävention neuer Pandemien ist es notwendig, dass Ökosysteme, vor allem tropische Wälder, als Lebensraum der Wildtiere bewahrt werden. Auch Investitionen gegen Wilderei sind dringend erforderlich. Es wird wie beim Klimaschutz deutlich, dass der Schutz der Regenwälder auch in weiteren Bereichen ganz konkret dem Schutz unserer Gesundheit dient. Weltweit werden jedoch Wälder in der Größe Großbritanniens zerstört. In den Tropen nahm die Rodung von Primärwäldern zwischen 2014 und 2018 im Vergleich zur Periode ab 2002 sogar um 44 Prozent zu.
Umweltforscher und Virologen warnen: Wahrscheinlichkeit von Pandemien steigt mit zunehmender Zerstörung von Ökosystemen und Biodiversität
Als frühes Beispiel für eine menschenverursachte Pandemie gilt das Gelbfieber, welches erstmals während der Kolonialisierung im 16. Jahrhundert aufkam und mit Rodungen des afrikanischen Regenwaldes in Zusammenhang gebracht wird. Das Gelbfieber kam zuvor in Stechmücken und Affen vor, bevor es auf den Menschen überging. Über den Sklavenhandel wurde es bis nach Amerika verbreitet und grassiert noch heute. Das Ebolavirus, das immer wieder in West- und Zentralafrika wütet, stammt wie die Coronaviren ursprünglich aus Fledermäusen, die als Überträger von Viren gelten. Eine Studie zu Ebola-Ausbrüchen zwischen 2004 und 2014 deutet stark auf einen Zusammenhang zu den regional stattgefundenen Waldrodungen hin.
So werden etwa Fledermäuse gezwungen, ihre schrumpfenden Lebensräume zu verlassen, und lassen sich zum Beispiel auch in Siedlungen und menschlichen Anpflanzungen nieder. Dazu zählen Ölpalmplantagen, die in tropischen Ländern wie Indonesien und Malaysia bereits große Teile der Regenwälder zerstört haben. Aber auch afrikanische Länder, wo die Entstehung neuer Krankheiten besonders hervorsticht, planen vermehrt auf Palmöl zu setzen. Insbesondere große Monokulturen zur Versorgung internationaler Märkte fördern laut Forscher*innen jedoch zusätzlich die Ausbreitung genau der Tiere, die vermehrt Viren übertragen können, wie z.B. Fledermäuse und Ratten. Die Anlage industrieller Plantagen wiederum ging in der Vergangenheit schon oft mit einer Vertreibung der lokalen Bevölkerung einher, die dann in andere bisher bewaldete Gebiete ausweichen musste.
Der voranschreitende Klimawandel führt zudem dazu, dass Anopheles- und Tigermücken (Malaria, Dengue-Virus, Zika-Virus, etc.), welche eigentlich aus wärmeren tropischen Gebieten stammen, langsam nach Europa wandern. Daher gilt es für die Politik mehr denn je, tropische Lebensräume zu unserem eigenen Wohl zu schützen. Politische Maßnahmen im Kampf gegen den zerstörerischen Konsum tropischer Agrarprodukte, Regenwaldabholzung und Klimawandel müssen dringend finanziert und umgesetzt werden.
Neben der Wilderei muss die Waldzerstörung systematisch bekämpft werden – auch Deutschland und die EU sind gefragt
Die Jagd und der Handel von Wildtieren, die zu den möglichen Überträgern von Krankheitserregern zählen, müssen verboten und bekämpft werden. Dies gilt auch für bedrohte Tierarten. Damit die Länder in den Tropen ein Problembewusstsein in der breiten Bevölkerung schaffen, ihre Gesetzgebung verschärfen und für eine strenge Umsetzung sorgen, sollte Deutschland stärker als bisher über verpflichtende Nachhaltigkeitszertifizierungen und Sorgfaltspflichten für nachhaltige Agrarrohstoffe aktiv werden, um beispielsweise auch die Aufklärung von Landwirt*innen und der Bevölkerung voranzutreiben. Zudem muss darauf hingewirkt werden, dass gemeinsam Rahmenbedingungen im Agrar- und Ernährungssektor geschaffen werden, die alternative Einkommensquellen und eine sichere Lebensmittelversorgung der Bevölkerung in den Tropen unterstützen und nicht untergraben.
Zudem müssen Zertifizierungssysteme für einen nachhaltigen Anbau von Agrarrohstoffen auch den Wandel weg von Monokulturen (z.B. Ölpalmenanbau) hin zu Mischkulturen vorantreiben. Um neue Waldrodungen im Umkreis der landwirtschaftlichen Flächen zu verhindern, muss es für Unternehmen gesetzlich bindend werden, eine Satellitenüberwachung der Lieferketten zu etablieren. Unternehmen müssen ihre Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten, die auf Anforderungen und Unterstützungsangebote nicht eingehen, gezielt abbrechen. Auch dies könnte durch umweltbezogene Sorgfaltspflichten und Zertifizierungssysteme unterstützt werden. Zudem muss die Einbindung von Kleinbäuer*innen immens verstärkt werden, da diese einen Teil der Waldrodungen mitverursachen und von Regierungen und internationalen Märkten oft vernachlässigt und benachteiligt werden. Jedoch haben auch die Zertifizierungssysteme für den nachhaltigen Anbau dringenden Nachholbedarf, da es immer wieder zu Verstößen kommt. Wirksamere Anreize und strengere Sanktionen zur sicheren Umsetzung nachhaltiger Praktiken sind unbedingt notwendig.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema auch in unserem Interview mit Ulrich Stöcker, Leiter Naturschutz:
"'Die Pandemie ist kein Zufall – die von Menschen verursachte Zerstörung von Ökosystemen ist eine Hauptursache für COVID-19'"