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Der einsame Alte

Donnerstag, 19.12.2019

Der Europäische Stör ist fast ausgerottet. In welcher Anzahl der Fisch in der Natur noch vorkommt, weiß niemand ganz genau. Seit über vierzig Jahren meldet Deutschland den Status „verschollen“.

© hasenberger-stock.adobe.com

Der Artikel erschien in der DUHwelt 4/19.

Die Kontinentaldrift, die Lebzeiten der Dinosaurier und gigantische Meteoriteneinschläge haben Störe miterlebt. Sie zählen zu den urtümlichsten Vertretern der Fischfauna. Schuppen auf der Haut – das typische Merkmal der entwicklungsgeschichtlich jüngeren Fischarten – fehlen den Stören gänzlich. Charakteristisch für den Europäischen Stör ist die Panzerung mit fünf Reihen von Knochenplatten. Vor dem Maul trägt er vier Bartfäden. Damit ertastet und erschnuppert der Stör seine Beute, stülpt dann sein Maul vor und saugt Krebstiere und Würmer oder kleine Fische ein. Der Körperbau erinnert an den eines Haies. Die Rücken- und Afterflosse sowie die Bauchflosse liegen weit hinten; die Schwanzflosse ist asymmetrisch nach oben verlängert.

Das Schwarze Gold

Dem archaischen Fisch bereitet der Homo sapiens, vergleichsweise neu auf dem Planeten, massive Probleme. Die fast schwarzen Störeier sind als Kaviar begehrt. Der unbefruchtete Rogen wird direkt aus den Eierstöcken der Weibchen entnommen. Wegen seines Fleisches und vor allem um das „Schwarze Gold“ zu gewinnen, wurden alle Störarten seit dem 19. Jahrhundert übermäßig befischt.

Auch die Zerstörung seiner Lebensräume setzte dem Stör zu. Viele Flüsse wandelten sich mit der Industrialisierung zu Schifffahrtsstraßen, Kies- und Energielieferanten oder boten eine schlechte Wasserqualität aufgrund von Industrie- und Haushaltsabwässern. Schleusen, Wehre und Wasserkraftwerke hindern die Störeltern daran, die Kinderstube für die Nachkommen zu erreichen.

Vom Meer ins Süßwasser

Wird er nicht befischt, ist der Europäische Stör mit einer hohen Lebenserwartung bis zu hundert Jahren gesegnet. Natürliche Fressfeinde haben ausgewachsene Störe nicht mehr. In Küstennähe leben sie als Einzelgänger im Meer. Erst im Alter von zehn bis zwanzig Jahren werden die Tiere geschlechtsreif. Im Frühjahr zieht es sie dann zurück an den Ort ihrer eigenen Geburt: einen schnell fließenden Fluss mit kiesigem oder steinigem Untergrund. Dort laichen die Weibchen und sofort eilen die Männchen zur Besamung heran. Die Eier sinken auf den Gewässergrund und heften sich an Steine. Nach der Fortpflanzung kehren die erwachsenen Tiere ins Meer zurück. Mehrfach im Leben wiederholen sie diese Wanderungen. Schon nach sechs bis neun Tagen schlüpfen die Jung-Störe. Sie sind noch nicht an das Leben im Salzwasser angepasst und halten sich zwei bis drei Jahre im Fluss auf, bis sie ins Meer wandern.

Fast ausgerottet

Der Europäische Stör war einst häufig in Nord- und Ostsee und schwamm zum Laichen deren große Zuflüsse wie Rhein, Weser, Elbe, Oder und Weichsel hinauf. Heute zählt er zu den am stärksten bedrohten Arten der Welt. Nur noch eine fortpflanzungsfähige Population existiert, die zu Laichplätzen in der Gironde (Frankreich) aufsteigt. Mit Stören französischer Herkunft hat Deutschland im Jahr 2008 ein Wiederansiedelungsprogramm an der Elbe gestartet. Polnische und deutsche Biologen siedeln seit über zehn Jahren den Baltischen Stör im Odereinzugsbiet an. Ihre  Ziele verbinden die dort Aktiven mit der DUH, die am Stettiner Haff Räume für Wildnis entwickelt.

Sag mir, woher du kommst!

Der internationale Handel mit Kaviar jeglicher Stör-Arten aus Wildfang ist gesetzlich verboten. Heute kommt auf legalem Weg ausschließlich Kaviar aus Aquakultur auf den Markt. Ein Kilo des Schwarzen Goldes kann im Einzelhandel bis zu 6.000 € kosten. Für jede Kaviar-Dose besteht Etikettenpflicht: Ein Buchstaben-Zahlen-Code gibt Auskunft, von welcher Stör-Art und aus welchem Land die Delikatesse stammt. Das sogenannte CITESEtikett zeigt Kontrollbehörden, Händlern, Verbraucherinnen und Verbrauchern, dass es sich um ein artenschutzkonformes Produkt handelt. Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES will mit dem Kennzeichnungsgebot den illegalen Handel mit Kaviar aus Wildfang eindämmen.

Steckbrief: Europäischer Stör (Acipenser sturio)

Verwandtschaft: Der Europäische Stör gehört der 27 Arten umfassenden Fischfamilie der „Echten Störe“ an. Ihre Entwicklungsgeschichte reicht über 250 Millionen Jahre zurück.

Aussehen: Der Europäische Stör wird vier bis fünf Meter lang und 200 bis 500 Kilogramm schwer. Seine Haut ist grau, schwarz oder braun. Charakteristisch sind die Knochenplatten auf dem Rücken sowie die vier Barteln vor dem Maul. Der Kopf formt eine langgezogene Schnauze, das Rostrum.

Lebensraum und Verbreitung: Einst war der Europäische Stör entlang europäischer Küstengewässer im Nord-Ost-Atlantik, einschließlich Nord- und Ostsee sowie im Schwarzen und im Mittelmeer verbreitet. Der Atlantische Stör (Acipenser oxyrinchus) – auch Baltischer Stör genannt – gilt ebenso als heimische Art. Er lebt seit etwa tausend Jahren in Nordamerika sowie in Europa, dort jedoch nur noch in der Ostsee, wohin er von seinem europäischen Verwandten verdrängt wurde. Hier ist er ebenso stark gefährdet. Beide Arten sind sich äußerlich sehr ähnlich. Die größten Störvorkommen Eurasiens gibt es nur noch im Kaspischen Meer, dort handelt es sich um 6 Störarten: Russischer und Persischer Stör, Sternhausen, Glattdick, Hausen  oder Beluga und der auf die Flussysteme beschränkt vorkommende Sterlet. Als Wanderfische suchen Störe zum Laichen unverbaute, kiesige Fließgewässer auf.

Nahrung: Störe ernähren sich von Würmern, Krebstieren, Weichtieren, Insektenlarven und kleinen Fischen, die sie am Gewässergrund aufstöbern.

Gefährdung und Schutz: Intensive Bejagung, aber auch die Verschmutzung und Verbauung von Flüssen haben fast zur Ausrottung des Europäischen Störs geführt. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN sind Störe mit einem extrem hohen Risiko des Aussterbens in der Natur in unmittelbarer Zukunft eingeordnet. Europarechtlich fallen sie unter mehrere strenge Schutzrahmen. Der Handel mit Kaviar von Wildstören ist international verboten.  

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