Bleibt Klimaschutz nur Schall und Rauch?
Der Artikel erschien in der DUHwelt 2/19.
Lahm und lasch kommt die Klimaschutzpolitik daher. Dass sie jeden Freitag unter Druck gerät, ist gut. „Tut was für unsere Zukunft – stoppt die weitere Erhitzung der Erde!“ fordern weltweit Schülerinnen und Schüler und gehen auf die Straße. „Die Kinder und Jugendlichen von Fridays for Future bringen frischen Wind in eine Debatte, die eigentlich schon längst beendet sein sollte“, sagt Constantin Zerger, der bei der DUH den Bereich Energie und Klimaschutz leitet.
Wir sind Zeugen des Klimawandels
An Erkenntnissen und Willenserklärungen mangelt es nicht.
- Bekannt und wissenschaftlich belegt: Es drohen verstärkt Dürren, Überflutungen und andere Wetterextreme mit weitreichenden Folgen wie Wasserknappheit, Ausbreitung von Krankheiten, Verlust von Lebensräumen.
- 2015 in Paris beschlossen: Deutschland will gemeinsam mit vielen anderen Staaten die Erwärmung der Erde auf unter 2°C – möglichst auf 1,5°C – beschränken. Dazu müssen die Treibhausgase bis 2050 weltweit auf nahezu Null reduziert werden.
- Bisher passiert: zu wenig.
Constantin Zerger mahnt, das Klimaziel 2020 nicht einfach aufzugeben und erinnert an den Hitzesommer 2018: „Wir sind Zeugen des Klimawandels. Um ein Grad ist die Durchschnittstemperatur der Erde bereits gestiegen.“
Weitermachen wie bisher ist keine Option
Ungeachtet der Zeugnisse des Klimawandels schiebt die Große Koalition wirksame gesetzliche Regelungen vor sich her. Der Kohleausstieg wurde zwar in einer Kommission verhandelt, wartet seitdem aber auf die Umsetzung. Die Verkehrskommission hat nur ein äußerst mageres Maßnahmenpaket beschlossen. Der große Wurf zur energetischen Sanierung von Gebäuden lässt auf sich warten. Die DUH fordert deshalb Kanzlerin Angela Merkel auf, dafür zu sorgen, dass das Klimaschutzgesetz von Umweltministerin Svenja Schulze so schnell wie möglich kommt. Die unionsgeführten Ressorts Verkehr, Bauen, Wirtschaft und Landwirtschaft im Klimakabinett müssen Beiträge zur Erreichung der Klimaziele liefern. Energieexperte Zerger betont: „Es geht um mehr als um Strom aus Windkraft- und Solaranlagen. Alle Sektoren müssen ihre Emissionen senken.“ Die DUH bringt zu allen Themenfeldern konkrete Vorschläge in die politische Debatte ein.
Anstatt endlich tätig zu werden, debattiert die Große Koalition nun über ein ‚entweder oder‘ hinsichtlich Klimaschutzgesetz und CO2-Bepreisung. „Wir brauchen beides“, erklärt Zerger. „Ein Klimaschutzgesetz, das einklagbare Ziele für alle Wirtschaftsbereiche festlegt sowie Steuern und Abgaben, die am CO2-Gehalt von Brennstoffen ausgerichtet sind. Klimafreundlich zu handeln darf nicht länger mit höheren Preisen bestraft werden.“
Was dem Klima hilft, zeigt die DUH in vielen Projekten: darunter Aktionen gegen Palmöl im Tank, gegen die Verschwendung von Lebensmitteln sowie eine Kampagne für Mehrweg- statt Einweg-Getränkeverpackungen. Schwachstellen und schont den Geldbeutel“, erläutert Constantin Zerger.
Die sozialen Auswirkungen solcher Sanierungen hat die DUH immer im Blick. Bei Mietwohnungen dürfen die Kosten der energetischen Sanierung nicht alleine auf Mieterinnen und Mietern lasten. „Die Kosten müssen fair auf Vermietende, Staat und Mietende verteilt werden“, sagt Zerger. Er verlangt aber auch Unterstützung für die Eigentümerinnen und Eigentümer: „Unsere langjährige Forderung an die Politik, dem energetischen Sanieren über steuerliche Maßnahmen Rückenwind zu verschaffen, untermauern wir immer wieder.“
Sorgenkind Verkehr
Der motorisierte Verkehr nimmt in Deutschland zu. „Klimafreundliche Konzepte sind von der Politik aktuell aber leider nicht zu erwarten“, beobachtet der DUH-Experte Zerger und fügt hinzu: „Damit das Auto immer öfter stehen bleibt, muss der öffentliche Verkehr attraktiver werden.“ Um den Zugang für alle zu erleichtern, kämpfen seine Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Verkehr für die bundesweite Einführung eines 365-Euro-Nahverkehrstickets, mit dem man in jedem ÖPNV-Verbund für nur einen Euro pro Tag mobil sein kann.
Motoren müssen effizienter werden. Autokäuferinnen und -käufer, die ein emissionsarmes Fahrzeug wählen möchten, brauchen Unterstützung: Ehrliche Kraftstoffverbrauchsangaben in Anzeigen und Werbebroschüren sollten selbstverständlich sein. Auch dafür tritt die DUH ein.
Ohne großen Aufwand ließen sich jedes Jahr bis zu fünf Millionen Tonnen des Klimagases CO2 vermeiden; das entspricht den jährlichen Emissionen einer Stadt mit 500.000 Einwohnern wie zum Beispiel Hannover. Ein Tempolimit auf Autobahnen und Landstraßen besitzt ein entsprechendes Klimaschutzpotential. Nebenbei würde es auch der Luftqualität und der Sicherheit auf den Straßen gut tun. Die DUH fordert Geschwindigkeiten von 80 Kilometern pro Stunde (km/h) außerorts und 120 km/h auf Autobahnen. In einem breiten gesellschaftlichen Bündnis für weniger Geschwindigkeit wirkt auch die DUH mit.
Häufig vergessen: die Landwirtschaft
Bedeutende Mengen an Treibhausgasen setzt die Landwirtschaft frei; eine entscheidende Rolle spielt hierbei Methan. Dieses Gas ist 28-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid (CO2). Insbesondere bei der Produktion von Milcherzeugnissen und Rindfleisch wird Methan freigesetzt. „Die DUH erarbeitet eine Strategie zur Minderung des Methan-Ausstoßes entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, erklärt Zerger ein weiteres Projekt. „Daraus entstehen dann Empfehlungen für Landwirte, Politik und Verbraucher. So können Landwirte die Tierzahlen reduzieren sowie Gülle und Mist vermehrt in Biogasanlagen verwerten. Das funktioniert aber nur, wenn die Politik mit Gesetzen und Förderungen den entsprechenden Rahmen setzt.“
Klimaschutz-Aktive brauchen Netzwerke
Die DUH vernetzt Entscheidungsträger in deutschen Kommunen und leistet fachliche Unterstützung. Städten, Gemeinden und Stadtwerken bietet die DUH Klimaschutz-Checklisten, Informationsplattformen und Beratung
an. Beispielsweise erhalten Kommunen Hilfestellung, um mit Hilfe von digitalem Gebäudemanagement Energiefresser zu erkennen und auszuschalten.
Außerdem teilt die DUH Knowhow und Erfahrungen auch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in anderen europäischen Ländern. Gerade in Osteuropa, wo NGOs unterfinanziert sind und sich viele Regierungen gegen Klimaschutzmaßnahmen wenden, wird Unterstützung gerne angenommen. Die DUH hilft, indem sie die NGOs mit Informationen zu klima- und energiepolitischen Themen versorgt und untereinander vernetzt. Auf Studienfahrten bringt die DUH die NGO-Mitarbeitenden direkt nach Brüssel. So können sie Kontakte zu EU-Parlamentariern, der Europäischen Kommission und anderen NGOs knüpfen und damit ihre Klimaschutz-Arbeit auf nationaler Ebene wirksamer gestalten.
Mit Rückenwind Tempo machen
Nicht zuletzt wendet sich die DUH an die breite Öffentlichkeit. Denn Verbraucherinnen und Verbraucher beeinflussen mit ihren Kaufentscheidungen die Nachfrage nach energieeffizienten Elektrogeräten, emissionsarmen Autos, reparaturfreundlicher Unterhaltungselektronik sowie umweltschonender Haustechnik und -bauweise. Im Alltag können jedefrau und jedermann zum Klimaschutz beitragen, indem sie Fleischmahlzeiten reduzieren, Lebensmittel aus der Region bevorzugen, Müll vermeiden und mehr Wege zu Fuß, per Fahrrad oder mit Bus und Bahn zurücklegen. Die Proteste der Schüler*innen von Fridays for Future sind wichtig. Sie sind Ansporn und gleichzeitig Unterstützung für die Klimaschutzarbeit der DUH. Constantin Zerger verspricht: „Wir werden die Regierenden nicht aus der Verantwortung lassen und auf den verschiedenen Feldern für Klimaschutz kämpfen. So lange, bis wir endlich sagen können: Die Erderhitzung ist gestoppt.