Agrarwende ohne Extrawürste für die Fleischindustrie
Es geht auf keine Kuhhaut, was die Fleischindustrie in Deutschland zu verantworten hat. Die Ausbeutung von Mitarbeitenden an Schlachthöfen mit Tausenden Covid-Erkrankten. Bauern und Bäuerinnen, die trotz subventionierter Megaställe – oder gerade deshalb – keine kostendeckenden Preise erhalten. Deutschland drohen bis zu 800.000 Euro täglich an EU-Strafzahlungen, weil Bund und Länder die EU-Wasserschutzregeln nicht umsetzen. Zu viel Gülle aus Massentierhaltungen darf dennoch weiter auf viel zu wenig Fläche ausgebracht werden und verursacht steigende Wasserkosten. Und da ist der Artenverlust, weil auf überdüngten Flächen und in überdüngten Gewässern nur noch sehr wenige Arten einen Lebensraum finden. Daher hat die DUH sowohl die Bundesregierung als auch die Regierungen von Niedersachsen und NRW verklagt und begleitet dies mit Gutachten und Expertisen.
Regenwald im Tierfutter
Statt direkt für Lebensmittel werden in Deutschland 60 Prozent der Agrarfläche für den Futtermittelanbau genutzt, hinzu kommen noch mal Millionen Hektar Soja-Flächen – oft in Regenwaldregionen – für den Import von Eiweißfutter. Mindestens jede fünfte Tonne Importsoja ist mit illegaler Entwaldung verbunden. Gegen diese Missstände kämpft die DUH auf EU- und Bundesebene: Wir fordern ein starkes Lieferkettengesetz, ein Gesetz gegen die importierte Entwaldung auf EU-Ebene und setzen viele Hebel in Bewegung für eine Agrar- und Fleischwende. Reinhild Benning, Agrarexpertin der DUH, sucht aber auch die direkte inhaltliche und öffentliche Auseinandersetzung mit Bauernverband und Fleischindustrie wie mit Fleischkonzernchef Clemens Tönnies im Live-Diskussionsduell im Landwirtschaftsverlag.
"Wir fordern ein starkes Lieferkettengesetz, ein Gesetz gegen die importierte Entwaldung auf EU-Ebene und wir setzen wichtige Hebel in Bewegung für eine Agrar- und Fleischwende."
Reinhild Benning, Senior Advisor Landwirtschaft
Richtig angelegt hat sich die DUH auch mit Billigfleischanbietern wie Lidl und Aldi, als sie in der Wahlkampfzeit mit ihrer Laborstudie zu Antibiotikaresistenzen auf Putenfleisch einen Fleischskandal öffentlich machte. Wichtig sind die DUH-Fleischtests auch, weil offiziellen Einschätzungen zufolge die Debatte um Antibiotika in der Massentierhaltung zur Reduktion des Fleischkonsums beiträgt (siehe Seite 17).
Klima- und Luftschadstoffe aus der Landnutzung
Der Einsatz der DUH-Teams Landwirtschaft und Luftreinhaltung gegen die Massentierhaltung, der Druck auf Handel und Politik, zeigt Wirkung. Denn im politischen Berlin tut sich was: Die SPD hat neue Regeln für den Arbeitsschutz der Beschäftigten an Schlachthöfen durchgesetzt und an runden Tischen unterschreibt der Deutsche Bauernverband, dass es künftig eine Fleisch-Abgabe geben soll und die hohen externen Kosten des industriellen Ernährungs- und Agrarsystems abzubauen seien. Die DUH fordert nicht nur eine Fleischabgabe, sondern auch eine Abgabe auf Luftschadstoffe aus der industriellen Massentierhaltung als Leitplanke für die Umstellung auf umwelt- und tiergerechte Haltungsformen. Weniger beachtet werden unterdessen die Kämpfe um die Verteilung der Agrarsubventionen.
Die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) nimmt mit sechs Milliarden Euro jährlich allein in Deutschland maßgeblich Einfluss auf die landwirtschaftliche Praxis. Ddie DUH hat sich mit konkreten Forderungen an die Politik, Stellungnahmen und Fachgesprächen zu den Gesetzestexten für die Umsetzung der GAP in Deutschland in die Diskussion eingeschaltet, gleichzeitig die Öffentlichkeit informiert und mobilisiert. Die alte Bundesregierung war nach 16 Jahren industriefreundlicher Subventionsverteilung zwar nicht zu überzeugen – dafür aber abzuwählen. Jetzt kommt es auf die neue Regierung an. Die DUH setzt sich mit dem Rückenwind hoffentlich vieler neuer Unterstützender für eine agrarökologische Wende weltweit ein.
Dieser Artikel erschien im DUH-Jahresbericht 2021.