Die Klima-Uhr tickt
Der Klimaschutz muss Tempo aufnehmen. Bis 2020, das heißt in nur drei Jahren, will Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken; bis 2050 sogar um bis zu 95 Prozent. Hierzu hat sich Deutschland gegenüber der Weltgemeinschaft verpflichtet. Die Ziele sind anspruchsvoll, gleichzeitig ist ihr Erreichen notwendig. Denn die Folgen des Klimawandels führen schon jetzt weltweit zu gravierenden Umweltkatastrophen, die Menschenleben fordern und viele Tausende aus ihrer Heimat vertreiben.
Doch die bisher geplanten Maßnahmen der Bundesregierung reichen nicht aus; bis zum Jahr 2020 werden die Emissionen lediglich um 31 Prozent gemindert – es klafft eine riesige Lücke. "Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten. Das verspreche ich Ihnen", sagte die Bundeskanzlerin in der ZDF-Sendung "Klartext Frau Merkel" auf eine Bürgerfrage noch Ende 2017. Nun allerdings kippten Union und SPD das Klimaschutzziel 2020. Damit bricht Angela Merkel ihr Wahlversprechen. Dies ist nicht hinnehmbar. Vielmehr steht die neue Bundesregierung vor einer großen Aufgabe, die keinen Aufschub duldet: Sie muss ein Klimaschutz-Sofortprogramm 2018 bis 2020 auf den Weg bringen.
Wende in die Breite tragen
Um die Klimaziele zu erreichen, muss jegliches Potenzial ausgeschöpft werden. Alle Sektoren – Strom, Wärme, Verkehr, Landwirtschaft und Industrie – müssen Beiträge leisten und ihre Emissionen mindern. Möglich wird das durch die Reduzierung treibhausgas-intensiver Energieerzeugung, den Ausbau Erneuerbarer Energien, die Anwendung neuer und effizienter Technologien sowie mehr Energieeinsparung.
Schnelle Klimaerfolge zu relativ geringen Kosten kann die Energiewirtschaft erzielen: Deutschlands Kohlekraftwerke stoßen jährlich enorme Mengen klimaschädliches CO2 aus und stehen damit im Stromsektor auf Platz eins der Klimakiller. Der Bundesregierung bleibt hier kein Spielraum, sie muss den Ausstieg aus der Kohle forcieren und die Verstromung bis 2020 etwa halbieren, fordert die DUH. Gleichzeitig müssen Erneuerbare Energien erheblich ausgebaut werden – sie sind die Pfeiler der Stromversorgung der Zukunft. Das bedeutet zum Beispiel zusätzliche 2.000 Windkraftanlagen pro Jahr. Einen großen Teil davon können Projekte abdecken, die bereits genehmigt sind, bisher aber keinen Zuschlag für den Bau bekommen haben.
Mehr Strom aus Erneuerbaren wird auch gebraucht, um mittelfristig die Sektoren Wärme und Verkehr treibausgasneutral zu gestalten und so das 2050-Ziel zu erreichen. Der Gebäudesektor bietet enorme CO2-Einsparpotenziale, da er ein Drittel der deutschen Gesamtemissionen verursacht. Hier sind zum einen ambitionierte Energieeinsparmaßnahmen und zum anderen eine komplette Umstellung der Wärmeversorgung auf Erneuerbare Energien notwendig. Die DUH fordert anwenderfreundliche Förderprogramme, zusätzliche finanzielle Anreize für energetische Modernisierungen sowie eine ehrliche Bepreisung der ökologischen Folgekosten von Öl- und Gas-Heizanlagen. Das seit Jahren verschleppte Gesetz zu Steuervorteilen für energetische Sanierungen muss dringend verabschiedet werden.
Der Verkehr – und davon fast allein der Straßenverkehr – ist für ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen Deutschlands verantwortlich. Hier ist eine drastische Verringerung des Energiebedarfs vonnöten: Warentransporte und Personenverkehr müssen soweit möglich vermieden oder von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Statt Autos mit Verbrennungsmotoren, die fossile Kraftstoffe schlucken, brauchen wir zukünftig viel mehr Elektromobilität auf der Basis von Erneuerbaren. Zudem müssen Antriebe effizienter werden.
Die Energiewende braucht die Gesellschaft
Im ersten Drittel seines Prozesses hat das Großprojekt Energiewende in Deutschland viel geleistet. Es hat Impulse für Wachstum und Beschäftigung gesetzt, boomende Forschung und Entwicklung ausgelöst und weltweites Ansehen als Klimapionier geschaffen. Obwohl eine große Mehrheit von 82 Prozent der Bürgerinnen und Bürger heute den Klimaschutz befürwortet, sinkt die Akzeptanz gegenüber den einzelnen Energiewendeprojekten merklich.
Aus Sicht der DUH wird das Reformvorhaben Energiewende nur gelingen, wenn Menschen in die Planung vor Ort früher einbezogen werden. Die DUH leistet hier wichtige Beiträge zu partizipativen Prozessen: Im Bürgerdialog Stromnetz und anderen Dialogprojekten moderiert die DUH den Informationsaustausch und Diskussionen von Alternativen in einem frühen Planungsstadium.
Das Gemeinschaftsprojekt Energiewende fordert uns allen auch einen Wandel von Lebensgewohnheiten ab. Die DUH will Menschen überzeugen, selbst die Initiative zu ergreifen: Steigen Sie auf Ökostrom um, lassen Sie das Auto öfter stehen und fahren Sie stattdessen mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad. Kaufen Sie unverpackte Lebensmittel und Getränke in Mehrwegflaschen und ersetzen Sie Fleisch-Mahlzeiten durch Vegetarisches. Werden Sie ein Teil der Energiewende, indem Sie selbst investieren, zum Beispiel in die energetische Sanierung des eigenen Hauses oder in Anteile einer Bürgerenergiegesellschaft. Und: Windkraft- und Solaranlagen sind Zeichen einer sauberen Energiegewinnung; wir sollten den Anblick auch in unserer eigenen Umgebung akzeptieren lernen.