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Gefährlich, unwirksam, rechtswidrig: Warum die aktuelle Atomkraft-Debatte irreführend ist

Mittwoch, 20.07.2022 Dateien: 1

Totgeglaubte leben länger? Aktuell werden die Stimmen zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken immer lauter. Welche Risiken hinter einem „Ausstieg aus dem Atomausstieg“ stecken, erklärt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe in einem Interview.

© Stefan Wieland

Werden Atomkraftwerke vor dem Hintergrund des russischen Kriegs in der Ukraine gebraucht?

Nein. Denn zur Energiesicherheit leistet ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke keinen nennenswerten Beitrag. Bei einem Gasmangel, wie er diesen Winter droht, haben wir ein Problem mit der Wärmeversorgung, sowohl für private Haushalte als auch für unsere Industrie. Atomkraftwerke produzieren dagegen Strom und das auch nur noch 5 Prozent der in Deutschland verbrauchten Menge. Diese Lücke lässt sich über Reservekraftwerke und vor allem den rapide beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien schließen. Wir müssen allerdings mit stark steigenden Strompreisen rechnen, vor allem für diejenigen süddeutschen Bundesländer wie Bayern, die jahrelang den Ausbau der Stromnetze sabotiert haben und deswegen vom günstigen Strom aus den Windkraftanlagen in den norddeutschen Bundesländern weniger profitieren können.

Warum wäre eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken gefährlich?

Ein Weiterbetrieb der drei verbleibenden deutschen Atomkraftwerke Neckarwestheim II, Emsland und Isar 2 wäre ein unkalkulierbares und vollkommen unnötiges Sicherheitsrisiko, das keinen Beitrag zur Energiesicherheit leisten würde. Es ergibt überhaupt keinen Sinn, 5 Monate vor dem Atomausstieg in Deutschland, eine Debatte wiederaufkommen zu lassen, die mutwillig den mühsam befriedeten gesellschaftlichen Grundkonsens über die Beendigung der Atomenergienutzung sprengt.

Rechtlich und wirtschaftlich stehen einer Verlängerung der Laufzeiten massive Hindernisse im Weg. Eine Inbetriebnahme von neuen oder bereits abgeschalteten Atomkraftwerken benötigt einen enormen Vorlauf für Bau oder Modernisierung sowie umfangreiche Tests für die gesicherte Inbetriebnahme. Die Kosten für die Modernisierung und Nachrüstung in Deutschland stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen, denn die geplante Laufzeit von 30-40 Jahren wird in den kommenden Jahren ohnehin erreicht und auch die Konstruktionen lassen in ihrer Beständigkeit nach. Ein Blick nach Frankreich zeigt, was eine Laufzeitverlängerung bedeutet: Strom aus Atomkraft ist teurer als Strom aus Erneuerbaren Energien und mit einem hohen Ausfallrisiko behaftet.

Ein weiteres ungelöstes Problem: Eine Laufzeitverlängerung würde mehr Atommüll bedeuten, dessen Lagerung weiter ungeklärt ist. Gleichzeitig gibt es noch immer keine Einigung oder den Willen in den Bundesländern, den Atommüll bei sich aufzunehmen.

Wieso sind auch neue Atomkraftwerke keine Alternative für die Stromerzeugung?


Auch neue Atomkraftwerke lösen die alten Probleme nicht. Vermeintlich neue Technologiekonzepte der Atomkraft sind sogenannte Small Modular Reactors (SMR), Atomkraftwerke der Generationen III+ oder IV, sowie Kugelhaufenreaktoren. Diese Konzepte gibt es zum Teil seit Jahrzehnten und die meisten sind entweder weiterhin im Konzeptstadium oder bereits in der Praxis gescheitert.

Die neuen Reaktoren bergen weiterhin die Gefahren eines Unfalls, setzen radioaktive Strahlung frei, lösen das Atommüll-Endlagerproblem nicht, überschreiten ihre Baukosten, sind deutlich teurer als verfügbare Erneuerbare Energien und haben eine zu lange Bauzeit. Es ist offensichtlich, dass Erneuerbare Energien viel mehr Vorteile bieten.

Wie will die DUH längere Laufzeiten von Atomkraftwerken verhindern?

Diese parteipolitisch motivierte Debatte um einen längeren Betrieb von Atomkraftwerken lässt völlig außen vor, dass die veralteten Anlagen ein täglich größer werdendes Sicherheitsrisiko sind. Deren Weiterbetrieb bedroht das Grundrecht auf Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit. Dies darf nicht aus einer Laune heraus und ohne energiepolitische Not von CDU, CSU und FDP gefährdet werden. Sollte der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke ohne erneute Sicherheitsprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung über den 31. Dezember 2022 hinaus kommen, werden wir dies notfalls per Gericht stoppen.

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