Pressemitteilung
Entkerntes Klimaschutzgesetz: Deutsche Umwelthilfe reicht umgehend Verfassungsbeschwerde ein und erhebt weitere Klimaklage
Berlin, 16.7.2024: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) reicht mit Inkrafttreten am morgigen 17. Juli gemeinsam mit elf jungen Menschen Verfassungsbeschwerde gegen das entkernte Klimaschutzgesetz der Bundesregierung ein. Dies gab die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation in einer Pressekonferenz bekannt und veröffentlicht die 204-seitige Verfassungsbeschwerde im Volltext. Zudem hat die DUH eine neue Klimaklage wegen des wiederholt viel zu spät vorgelegten Klimaschutzberichts gegen die Bundesregierung eingereicht. Dieser Bericht dokumentiert unter anderen den Umsetzungsstand der Klimaschutzprogramme und ist essenzielles Kontrollinstrument des Klimaschutzgesetzes.
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die Ampel-Regierung verabschiedet sich mit dieser Gesetzesänderung vom Klimaschutz. Wir nehmen diesen klaren Verfassungsbruch nicht hin und ziehen erneut vor das Bundesverfassungsgericht – wie im Januar 2020, was im April 2021 zum historischen Klimaschutzentscheid des Bundesverfassungsgerichts geführt hat. In Deutschland blockieren fossile Energie- und Autokonzerne eine wirksame Klimapolitik und zerstören unsere Zukunft sowie die unserer Kinder. Das nehmen wir nicht kampflos hin. Der Freifahrtschein gegen den Klimaschutz, den die Bundesregierung insbesondere Autominister Volker Wissing ausgestellt hat, zeigt sich aktuell in der Rückabwicklung der Verkehrswende. Anstatt die riesige CO2-Lücke von 180 Millionen Tonnen im Verkehr schließen zu müssen, weitet die Ampel Regierung die finanzielle Förderung von Luxus-Geländewagen mit Verbrennungsmotoren aus und schwächt gezielt den Schienengüter- und Personenverkehr.“
Zum mangelnden Klimaschutz im Gebäudebereich ergänzt Barbara Metz, DUH-Bundesgeschäftsführerin: „Der Gebäudebereich hat die Klimaziele schon viermal verfehlt. Eine Entkernung des Klimaschutzgesetzes wird diese Situation weiter fortsetzen und verschärfen. Trotzdem ist die Ampel-Regierung offensichtlich nicht in der Lage, die notwendigen Maßnahmen für Klimaschutz und Bezahlbarkeit im Gebäudesektor auf den Weg zu bringen: Eine Sanierungsoffensive für öffentliche Gebäude, allen voran Kindergärten und Schulen, den Hochlauf der Wärmepumpe und eine Flexibilisierung bei der Bestandssanierung. Jetzt muss die Ampel-Regierung den Kurswechsel einleiten, sonst werden die in wenigen Jahren verantwortlichen Politikerinnen und Politiker mit bitterem Bedauern auf die Fehlleistung dieser Ampel-Regierung zurückblicken. Ein vollständiges Umsteuern wird dann nicht mehr möglich sein. Mit der Entkernung des Klimaschutzgesetzes handelt diese Bundesregierung verfassungswidrig, denn sie gefährdet die Freiheit der Menschen heute und der nachfolgenden Generationen.“
Unverändert verstößt die Bundesregierung gegen das alte wie auch das neue Klimaschutzgesetz. So reicht das in beiden Fassungen des Gesetzes enthaltene zentrale Klimaschutzprogramm der Bundesregierung nach wie vor nicht aus, um das vorgeschriebene Klimaziel 2030 zu erreichen. Die DUH hat deshalb bereits im November 2023 und Mai 2024 mehrere Klimaklagen gegen die Bundesregierung vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gewonnen. Die Verfahren haben trotz der Gesetzesentkernung Bestand. Und die DUH geht weiter gegen Verstöße der Bundesregierung gerichtlich vor: Mit der Klage gegen die verspätete Veröffentlichung des Klimaschutzberichts reicht die DUH die bereits sechste Klage gegen die Bundesregierung auf Basis des Klimaschutzgesetzes ein. Der Bericht muss jedes Jahr zum Stichtag 30. Juni von der Bundesregierung veröffentlicht werden. Die Berichte der letzten Jahre erschienen jedoch mit massiver Verspätung von teilweise fast einem Jahr. Auch 2024 ist die gesetzliche Frist ohne Veröffentlichung des Berichts verstrichen.
Dazu Remo Klinger, der die DUH in den Klimaklagen vertritt: „Die Änderung des Klimaschutzgesetzes ist nicht nur handwerklich misslungen, sondern verfassungswidrig. Wir begründen dies in unserer 205-seitigen Verfassungsbeschwerde. Denn das Gesetz belässt es nicht dabei, angeblich nötige Flexibilisierungen zwischen den Sektoren, wie Verkehr und Industrie, vorzunehmen. Die wichtigsten Änderungen verfolgen nur das Ziel, bis zum Jahr 2030 keine relevanten Klimaschutzmaßnahmen mehr beschließen zu müssen. Damit sollen sowohl der aktuellen als auch der nächsten Bundesregierung weitere Maßnahmen erspart werden. Die nötigen Maßnahmen werden damit in der Zukunft viel strenger ausfallen als sie erforderlich wären, wenn man rechtzeitig handelt. Dies ist verfassungswidrig. Doch nicht einmal die Bestimmungen dieses entkernten Gesetzes hält die Bundesregierung ein. Deshalb haben die wichtigen Klimaklagen der Deutschen Umwelthilfe vor den Verwaltungsgerichten weiterhin Bestand, wie die Klage auf Vorlage eines ausreichenden Klimaschutzprogramms. Wir haben daher auch eine weitere Klage erhoben. Die Frist zur Veröffentlichung des Klimaschutzberichts ist abgelaufen. Wir werden nicht dabei zusehen, dass der Klimaschutzbericht, wie bereits 2023, mit fast einem Jahr Verspätung veröffentlicht wird.“
Hintergrund:
Die Verfassungsbeschwerde ist eine von drei, die fünf deutsche Umweltverbände gemeinsam mit Kläger:innen aus allen Teilen der Gesellschaft gegen die unzureichende Klimapolitik der Bundesregierung sowie insbesondere die Entkernung des Klimaschutzgesetzes (KSG) erheben. Neben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) führen auch Greenpeace und Germanwatch sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) jeweils eine Beschwerde. Bereits 2021 hatte die DUH mit einigen der Klagenden in einem wegweisenden Urteil erreicht, dass das Bundesverfassungsgericht dem Recht auf Klimaschutz Verfassungsrang einräumt.
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch@duh.de
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin DUH
0170 7686923, metz@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
0171 2435458, klinger@geulen.com
DUH-Newsroom:
030 2400867-20, presse@duh.de