Umweltpolitik im GroKo-Vertrag: Vier Jahre Stillstand?
Nachdem das Klimaschutzziel 2020 offiziell begraben wurde, wird mit der neuen Koalition auch das Ziel für 2030 mit den vorgesehenen Maßnahmen nicht zu erreichen sein. Während Umwelt- und Verbraucherpolitik schon in der letzten Legislaturperiode nur noch im Schneckentempo vorankamen, droht jetzt der endgültige Stillstand. CDU, CSU und SPD scheiterten in ihrem Verhandlungsmarathon daran, sich auf konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz, wie den Kohleausstieg, mehr Gebäudeeffizienz und CO2-Einsparung im Verkehrssektor zu einigen. Stattdessen wird die Verantwortung auf Kommissionen ausgelagert.
„Der gesamte Koalitionsvertrag ist vom mangelhaftem Anspruchsniveau im Bereich Umwelt- und Verbraucherschutz gekennzeichnet“, resümiert Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. „Das gesamte Papier basiert auf Prüfaufträgen und Finanzierungsvorbehalten, mit denen die notwendigen Entscheidungen zum Klima-, Ressourcen- und Naturschutz auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden.“
Luftreinhaltung und Verkehr
Als einen „Offenbarungseid“ kann das komplette Fehlen ordnungsrechtlicher Vorschriften im Verkehrsbereich gewertet werden. Hier sucht man Vorgaben, um die Automobilindustrie zum Verkauf von spritsparenden und im realen Leben sauberen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu bewegen, vergebens.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagt dazu: „Zum Thema Luftreinhaltung fällt den möglichen Koalitionären nicht mehr ein, als dass sie keine Fahrverbote wollen. Wo ist die rechtliche Verpflichtung, für die seit 20 Jahren betrügerisch agierende Automobilindustrie, die neun Millionen Euro 5 + 6 Betrugs-Diesel mit einer auch in den Städten funktionierenden Abgasreinigungsanlage auf Harnstoffbasis nachzurüsten? Und warum lässt die beim Klimaziel 2020 wortbrüchige Große Koalition zu, dass die Autobauer unsere Städte mit schmutzigen SUVs und neuerdings Edel-Pritschenwagen überfluten? Das Verkehrskapitel im Koalitionsvertrag zeigt eindrucksvoll, wie BMW, Daimler und Volkswagen auch weiterhin durchregieren.“
Natur- und Artenschutz
Auch im Natur- und Artenschutz läuft die Bundesregierung offenen Auges in ein nächstes europäisches Vertragsverletzungsverfahren. Die vorgesehene „letale Entnahme“ des europaweit geschützten Wolfes ist und bleibt ein Verstoß gegen europäisches Artenschutzrecht. „In den vergangenen hundertsiebzig Jahren kam kein einziger Mensch in Deutschland außerhalb der Märchenwelt durch einen Wolf körperlich zu Schaden“, sagt Müller-Kraenner.
Während der deutsche Steuerzahler viel Geld für den Schutz der Biologischen Vielfalt in Entwicklungsländern ausgibt, wird in Deutschland der streng geschützte Wolf zum Abschuss freigegeben.
Abfallvermeidung
Deutschland ist Europameister beim Verpackungsabfall. Äußerst bedenklich ist deshalb die Tatsache, dass das Thema Abfallvermeidung im Koalitionsvertrag praktisch nicht stattfindet. Anstatt das Plastikmüllproblem bereits im Entstehen durch eine klare Förderung von Mehrwegsystemen, höhere Entgelte und Abgaben zu lösen, fehlt ein klares Bekenntnis zur Abfallvermeidung und zum Mehrwegschutz.
Deutschland gibt Vorreiterrolle auf
Mit der Vorgabe, europäisches Recht zukünftig nur noch eins zu eins umzusetzen, verabschieden sich die zukünftigen Koalitionspartner von der sogenannten deutschen Vorreiterrolle in der Umweltpolitik. Doch nicht einmal eine Eins-zu-eins-Umsetzung des Europarechts ist sichergestellt. Gegen keinen EU-Mitgliedstaat laufen aktuell so viele Vertragsverletzungsverfahren wegen Falsch-Umsetzung von EU-Vorschriften wie gegen Deutschland. Dabei müsste die Klima- und Ressourcenschutzpolitik hierzulande weitaus ambitionierter sein, als die europäischen Umweltvorschriften, die häufig nur einen unzureichenden Kompromiss darstellen.
Beteiligungsrechte sollen eingeschränkt werden
Die Planung und der Bau großer Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Verkehr und Energie soll durch Einschränkungen des Verbandsklagerechtes vorangetrieben werden. Damit setzt der Koalitionsvertrag auf unmündige Bürger und möchte Beteiligungsrechte wie die Verbandsklage weiter beschneiden. Die DUH kündet schon jetzt an, diesen Verstoß gegen die europaweit gültige Arhus-Konvention zum Informationszugang und der Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren, rechtlich überprüfen zu lassen.
In den kommenden vier Jahren wird es mehr denn je darauf ankommen, dass eine wache Zivilgesellschaft den Druck auf die politischen Entscheidungsträger, im Umwelt- und Klimaschutz endlich zu handeln, aufrechterhält. Wo die Bundesregierung sich weiterhin weigert, geltendes nationales und europäisches Recht umzusetzen, bleibt weiterhin nur der Weg über die Gerichte.